Lassen
sich der Wunsch nach Geld und insbesondere Geldverdienen
über Börsenaktivitäten mit Ethik,
Umweltbewusstsein und sozialem Gewissen vereinbaren?
Im Film Wallstreet
sagt der brave,
anständige Vater (natürlich Gewerkschaftsmitglied) zu
seinem auf Abwege geratenen Sohn (vom schnellen Geld
träumender Yuppie), nachdem dessen schräge
Börsengeschäfte mit Gordon Gecko geplatzt sind und
beiden eine Gefängnisstrafe in Aussicht steht: "Hör
doch auf mit der Suche nach dem schnellen Geld und mach was aus deinem
Leben" (so oder so ähnlich drückt er sich aus).
Sicher
ist Geldverdienen als alleiniges Lebensziel
eher fraglich, erst recht mit illegalen Methoden, aber müssen
Geldverdienen an der Börse und Anstand bzw. ein ethisch
geführtes Leben denn grundsätzlich ein Gegensatz
sein? Muss man als Börsianer (Investor,
Spekulant) einen schlechten Charakter haben, der
gerne andere
über das Ohr haut? Erwirbt man sich nur mit einem
lohnarbeitsreichen Leben und einem bescheidenen Sparbuch mit
niedrigster Verzinsung einen Platz im Himmel?
In
meinem Umfeld werde ich
auch immer wieder mit merkwürdigen Blicken bedacht, wenn die
Rede auf meine (bescheidenen) Börsengeschäfte kommt.
Auf diese Weise Geld verdienen wollen, ohne "richtige" Arbeit, ist
etwas Unanständiges und zeugt von einem geldgierigen,
schlechten Charakter - diese Meinung ist weit verbreitet. "Geld ist die
Wurzel allen Übels",
"Geld verdirbt den Charakter", "die Reichen sind nur reich, weil sie
den Armen das Geld weggenommen oder sie ausgebeutet haben".
Auch
unsere Politiker schüren aktuell gerne Vorurteile gegen alles,
was mit Banken und Börsen zu tun hat - eigentlich ist das ja
der Job der Linken, aber plötzlich stößt
auch die Regierung in dieses Horn und stellt sich damit, was Populismus
und mangelnde Börsen-/Marktkennisse anbetrifft, meiner Meinung
nach auf die gleiche Stufe. Und sie tut das, um von ihrem eigenen
Versagen abzulenken, denn nicht die Banken, Investoren oder Spekulanten
haben manche EU-Länder in die aktuelle Krise getrieben, die
jetzt alle ausbaden müssen, sondern die Politiker, die
versäumt haben, ordentliche Rahmenbedingungen (Regeln und
mögliche Sanktionen) für die EU aufzustellen und
Kontrollorgane einzurichten (nicht mal die vorhergehenden Immobilien-
und Bankenkrisen waren ihnen Warnung genug).
Natürlich
habe ich mir selbst auch Gedanken gemacht, ob ich meine
Börsenaktivitäten vor mir und meinem Gewissen
vertreten kann oder nicht. Daher ein paar kleine Gedanken, die sicher
das Thema nicht voll umreißen. Ich würde mich aber
über eine kleine oder große Diskussion im Forum bei tinto -
Selbstverwirklichung, Lebensträume freuen.
Mal
angenommen, Sie legen 10.000 Euro für 20 Jahre auf ein
Sparbuch mit einem Prozentsatz von 4 %. Dann bekommen Sie nach Ablauf
der Zeit 21.910 Euro. Das hört sich nicht schlecht an, aber
das wird Ihnen keine großen Sprünge im Alter
erlauben, obwohl wir hier mal die Inflation unter den Tisch fallen
lassen.
Mit
Investitionen in Aktien und Fonds (solides Portefolio) erzielt ein
Anleger in der Regel über 10 % Rendite pro Jahr (unterm Strich
gerechnet über einen sehr langen Zeitraum). Wenn man mit nur
10 % rechnet, dann erhält man nach 20 Jahren aus 10.000 Euro
96.460 Euro, und wenn man 15 % ansetzt, dann sind es 163.670 Euro.
Zwischen den 4 % und den 15 % liegen also etwa 140.000 Euro.
Wenn
Sie Ihr Geld auf ein Sparbuch legen, dann macht die Bank u.
a. mit diesem Geld Börsengeschäfte, gibt Ihnen 21.910
Euro und behält die 140.000 Euro für sich. Im Grunde
ist Ihr Geld in Börsengeschäfte involviert, aber die
Bank und nicht Sie verdient daran. Um dem System zu entgehen,
müssten Sie die 10.000 Euro 20 Jahre lang unter die Matraze
legen, hätten dann aber nur 10.000 Euro.
Meine
Entscheidung fiel nach obigen Überlegungen daher
folgendermaßen aus: Lieber mache ich die
Börsengeschäfte selbst, denn ich entscheide lieber
selbst, welchen Firmen ich mein Geld zur Verfügung stelle und
behalte auch die Rendite daraus für mich bzw. vergebe sie so,
wie ich das für richtig halte. Das erste Kapital waren die 3.000 Euro, die
ich eigentlich für eine Kücheneinrichtung gespart
hatte (Ikea-Kartons und Baumarktregalbretter erfüllten den
gleichen Zweck). Tatsächlich hatte ich im ersten Jahr etwa 20
% Rendite, im zweiten ca. 30 , im dritten etwa 50 % ... Doch bald kamen
die schweren Jahre: Platzen der Internet-Bubble 1999/2000, dann 11.
September 2001. Nach der Erholung kamen Immobilienkrise, dann
Bankenkrise. Nach der nächsten Erholung dann die EU-Krise.
Aber unterm Strich Strich stimmt meine Rechnung - Dank Diversifikation (Streuung). Und
weil mir das Spekulieren so viel Spaß macht, habe ich im
Laufe der Zeit immer wieder Geld gespart, um es über die
Börse in Aktien, Fonds etc. anzulegen.
"Geld
ist die Wurzel allen Übels" sagt das Sprichwort. Aber ist dem
so? Gibt Geld einem nicht die Freiheit, das zu tun, was man tun
möchte, was einem am Herzen liegt und womit man die
Welt bereichern kann? Ist Geld in guten Händen nicht z. B. ein
Mittel zur Realisierung von sozialen oder künstlerischen
Projekten? Geld ist meiner Meinung nach das, was man draus macht.
Alle
Bücher, die ich zum Thema Reichwerden gelesen haben, empfehlen
"sei ein Geber, und Du wirst reich". Gib jetzt 10 Cent von Deinem Euro
an Bedürftige, dann kannst Du später 100.000 Euro von
Deiner Million geben.
Wer
viel hat, kann auch viel geben. Und wer wirklich "reich" sein will, der
muss in
jeder Hinsicht wachsen - auch in Bezug auf seinen Charakter,
- und geben - auch von seinem
Wissen und Mitgefühl.
Meine
Meinung: Geld ist Mittel zum Zweck und so gut, wie die
Hände, in denen es sich befindet. Und was die Geldanlage
selbst betrifft: Drücken Sie Ihre Meinung aus und investieren
Sie doch einfach in die Branchen, Märkte, Länder, an
die Sie glauben - unter ethischen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkten (-> Nachhaltige
Geldanlage).
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