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lucie "Ich werde allein zu Gabi gehen", murmelte Karo über ihren Salat hinweg
zu Anne. "Karo, du weisst...". "Ja, ich weiss", unterbrach sie
Anne. "Und ich danke Dir auch dafür." Karo blickte Anne ins
Gesicht. "Nur das muss ich allein tun, ich hoffe, du verstehst das. Ich
bin dir so dankbar, dass du mir zugehört hast und mich nicht für verrückt erklärt hast, aber das, was ich tun muss, kann mir keiner
abnehmen." "Baby, jeder stirbt für sich allein". Anne zielte mit dem
Zeigefinger auf Karos Kopf. "Poff". Anne pustete den imaginären Rauch
von ihrem Finger. Karo lachte erleichtert los, es war als löste sich
eine Spannung in ihr, die sie die letzten Stunden begleitet hatte. "Was
würde ich nur ohne dich machen, Anne". "Ich weiss nicht, Karo,
vermutlich mit dir selber Schach spielen." "Oh, nein", lachte Karo,"das
ganz sicher nicht, ich bin ein katastrophaler Schachspieler". Sie zahlte ihre Rechnung und verliessen das Lokal. Munter plaudernd
bummelten sie durch die Stadt, bis langsam dunkel wur
lucie
de. An der Bushaltestelle verabschiedeten sich beide voneinander. "Ich
werde morgen gleich zu Gabi gehen", sagte Karo. "Ich wünsch dir viel
Glück dabei, Karo, und ich wünsch dir, das sich alles in Wohlgefallen
auflöst." "Nun, diese Hoffnung hege ich nicht gerade, aber trotzdem
danke." Der Bus näherte sich und hielt an. Die Tür öffnete sich und das
grelle Licht schien auf den Gehsteig hinaus. "Ich werde an dich denken,
Karo". Anne umarmte Karo. "Und ruf mich an, Kleines". Karo löste sich
aus der Umarmung und stieg in den Bus. Die Tür schloss sich zischend hinter ihr. Im Wegfahren sah sie, wie Anne ihr hinterherwinkte. Karo
hob die Hand, um zurückzuwinken. Sie fühlte sich plötzlich allein und
etwas verloren, insbesondere, wenn sie an das dachte, was sie morgen vorhatte. Karo atmete tief durch und legte ihren Kopf in den Nacken.
Ich schaffe es, sagte sie zu sich selbst, ich muss doch nur Gabi fragen, wie es ihr geht, ist doch nun wirklich nichts dramatisches. Es
war nur der Punkt, das lucie
zusammenhing, ihr einen kalten Schauder über den Rücken jagte. An ihrer Haltestelle stieg sie aus und ging die letzten Meter zu ihrem
Haus. Das Haus lag dunkel da. Nur im obersten Geschoss waren ein paar Lichter an. Pauls Vorhänge waren immer noch zugezogen. Vermutlich war
er nicht zu Hause, oder er schlief schon. Karo durchquerte leise den Hausflur und huschte in ihre Wohnung. Im Flur hielt sie inne und
lauschte auf die Wohnung über ihr. Alles war ruhig. Ich sollte mich nicht selber verrückt machen, sagte sich Karo. Sie machte das licht an.
Die Wohnung lag da, wie sie sie am Morgen verlassen hatte. Sie schlüpfte ins Bad und lag zehn Minuten später im Bett. Sie war
hundemüde. Kurz nachdem sie das Licht gelöscht hatte, fiel sie in einen
tiefen, unruhigen Schlaf. Sie träumte davon, dass sie mit Paul auf dem Dach stand und er sie runterstürzen wollte. Aber er schaffte es
irgendwie nicht, an sie heranzukommen, irgendetwas stand zwischen ihnen. Im Schlaf seufzend drehte sie sich auf die
lucie auf die andere Seite. So hörte sie auch nicht, dass Pauls Auto vor der
Tür hielt. Jerusha
Am nächsten Tag nach Büroschluss setzte Anne sich in den Bus. Zwei Stationen vor ihrer Wohnung stieg sie mit klopfendem Herzen aus und
ging langsam Richtung Friseursalon. Was sollte sie Gabi nur als Vorwand
angeben? "Hallo, schön, Dich zu sehen, ich dachte, Dein Freund hätte
Dich umgebracht!"??? Sie stiess die Tür zum Salon auf. Gabi's Kollegin
schaute von ihrer Arbeit am Tresen auf. "Hallo!", lächelte sie Anne an.
"Hallo! Ich würde gern mit Gabi sprechen." "Oh, das tut mir leid, aber
Gabi ist heute nicht da. Kann ich weiterhelfen?" Sie war nicht da?
Annes Herz klopfte. "Hat sie Urlaub, oder ist sie krank?" "Ehrlich
gesagt, das wissen wir leider auch nicht... sie hat nicht angerufen und
geht auch nicht an ihren Apparat... wir wundern uns auch schon." Anne
wurde übel. Sollte sie etwas sagen? Sie brachte es gerade noch fertig, sich zu bedanken und stürzte aus dem Laden.
lucie Auf der Strasse angekommen, blieb Karo einen Moment lang stehen und
atmete tief durch. Reichte das nicht langsam alles? Die Geräusche aus
Pauls Wohnung und nun war Gabi auch noch verschwunden, eindeutiger ging es doch gar nicht mehr. Ich werde zur Polizei gehen, sagte sich Karo,
jetzt sofort und auf der Stelle. Vielleicht solltest du erst nach Hause
fahren und noch was essen, flüsterte eine innere Stimme ihr zu, du hast noch das Eis im Tiefkühlfach, das hast du vergessen, als du deinen
Kühlschrank ausgemistet hast. Da kannst du dich dann erstmal beruhigen
und in Ruhe darüber nachdenken, was du der Polizei sagen willst. Nein! Karo blickte entschlossen auf. Sie kannte das, wenn sie erstmal zu
Hause war und Eis in sich hineinstopfte, würde sie wieder untätig bleiben. Das konnte sie nicht tun, sie konnte doch Gabi nicht einfach
im Stich lassen. Karo setzte sich in Richtung Bushaltestelle in Bewegung. Ich werde
einfach erzählen, was ich gesehen und gehört habe, lucie
sprach Karo sich Mut zu. Und wenn sie mich auslachen, kann ich nichts dran ändern, ich habe es zumindest versucht.
lucie An der Haltestelle angekommen, sah sich Karo etwas mutlos um. Ihre
Augen streiften das Haus gegenüber, sie sah die kleine Pizzeria, die
sie einmal fast zum Essen verleitet hätte. Weil das Wetter heute trübe war, standen keine Stühle draussen herum. Durch die Fensterscheiben
konnte Karo die hektischen Bewegungen des Kellners beobachten. Genau an
dieser Stelle hatte sie sich auch mit Paul unterhalten, als Gabi dazu kam und Paul als ihren Freund vorstellte. Sie sah so glücklich aus.
Tränen schossen Karo in die Augen. Es konnte nicht sein, dass Gabi tot
ist, das geht einfach nicht! Verschleierten Blickes wanderten ihre Augen weiter, als wolle sie jede Einzelheit dieses Bildes festhalten.
Über die Fenster des Hauses, weiter zur Häuserecke, den sich daneben hinschlängelnden Weg, weiter zu den Bäumen, die fast im Gestrüpp
verschwanden. Irgendetwas war falsch an diesem Bild, etwas, was sich
ihr Gehirn weigerte, zu akzeptieren. Eine schlanke Gestalt war aus dem Schatten des Hauses hervorget
lucie hervorgetreten und eilte über die Strasse.
"Gabi", brüllte Karo und rannte auf die entgegenkommende Person zu.
Gabi winkte ihr von der Strasse aus zu."Gabi!" Karo brachte nichts
weiter als ihren Namen hervor. Bei ihr angekommen, fiel sie Gabi um den
Hals. "Gabi, was machst Du denn,Du kannst doch nicht einfach so in Luft
auflösen, ich dachte schon, Du lebst gar nicht mehr.." Gabi befreite
sich aus der Umarmung. "Hey, Karo, was ist denn los, ich war doch grade
mal einen halben Tag weg. Ich wollt mich nur schnell noch im Laden melden, dass ich den Tag heute Urlaub nehme." Karo wischte sich die
Tränen aus den Augen. Gabi sah sie besorgt an. "Ist wirklich alles in
Ordnung mit Dir, Karo, Du siehst reichlich mitgenommen aus." "Ja, Gabi,
ist alles in Ordnung." "Na, sicher?" Gabi sah sie immer noch etwas
zweifelnd an. "Warte mal kurz, Karo, ich geh nur schnell in den Laden,
sag Bescheid und dann gehen wir noch einen Kaffee trinken, ja? Ich muss Dir nämlich auch noch was berichten."
lucie Gabi setzte eine geheimnisvolle Miene auf. "Gut, Gabi, ich warte
solange hier draussen." "Bis gleich", Gabi eilte weiter die Strasse
entlang und verschwand im Friseursalon. Karo setzte sich auf die Bank an der Bushaltestelle und stütze ihren Kopf mit den Händen ab. Neben
ihr hielt der Bus und öffnete zischend seine Türen, Karo sah auf und
gab dem Fahrer zu verstehen, dass sie nicht mitfahren wollte. Die Türen
schlossen sich wieder und mit aufheulendem Motor setzte sich der Bus in Bewegung.
Christine das Umfeld in der ich mich befinde nimmt mir so viel Kraft ...dachte
Karo und beschloss sich wieder auf das wesentliche zu konzentrieren. Mein Ziel ist es abzunehmen um mich besser zu fühlen und somit setze
ich Paul ganz weit hinten an, sagte sie laut und ging Heim. Denn nur
wenn ich zufrieden mit mir selbst bin wird auch ein Mann dieses spüren und automatisch ein gefallen an mir finden.
christine Karo setzte sich an ihren Schreibtisch und überlegte. Dann plötzlich
sprang sie auf und rief "ich hab's!" Ich brauche im Moment keinen
festen Freund sondern eine Person die auch abnehmen möchte. Gemeinsam
dies zu meistern würde mehr Spass machen und man könnte sich regelmäßig
treffen und austaschen. Allerdings wusste sie, dass Sie kaum Zeit hatte noch Termine einzuräumen. Fitness mehrmals in der Woche und im Büro
musste man Überstunden machen - also beschloss Karo ein Internet Chat
einzurichten. Hier würde sie nette Leute die abnehmen wollen finden mit den man Chatten kann. Hier Karos Idee: Es findet sich eine Gruppe
(Anzahl egal) die mitmachen und ihr Start-Gewicht angeben. Einmal pro Woche müssen alle in dieser Chatrunde aktuelles Gewicht der Gruppe
mitteilen (Am besten immer am selben Wochentag). Also hat man ein zusätzliches Ziel immer 0,5 - 1 Kilo weniger zu haben als die Woche
zuvor. (Vorauszetzung ist immer die Wahrheit mitzuteilen) Somit hat Karo den Kontakt zu anderen, ka
christine Somit hat Karo den Kontakt zu anderen, kann weiterhin viel ins
Sportstudio und nur nach Bedarf treffen mit Leuten aus dem Chat. Mit dieser Schnapsideee ging Karo schlafen.
lucie Als Karo im Bett lag, durchdachte sie noch einmal den Abend, den sie
mit Gabi verbracht hatte. Sie hatten sich in die Pizzeria gegenüber der Bushaltestelle gesetzt. Gabi war so aufgelöst, dass sie überhaupt
nichts essen wollte. Karo schielte auf die Seite, wo verschiedene Pizzen abgebidet waren. Allein der Anblick liess ihr das Wasser im Mund
zusammenlaufen. Schliesslich hatte sie dann aber doch für Pasta mit Tomatensosse entschieden, das schien ihr noch die vernünftigste
Variante zu sein. Irgendwie war das schon ein komisches Gefühl dazusitzen und zu essen, während Gabi mit leutenden Augen erzählte.
Karo bildete sich ein, dass nun natürlich alle auf sie schauen würden und sich ganz sicher ihren Teil denken würden. Sie senkte ihren Kopf
weiter auf den Teller hinab, als könne sie so aus dem Blickfeld der
anderen verschwinden. "Karo, hörst Du mir überhaupt zu?" Gabi schaute
Karo leicht befremdet an. "Was ist nur mit Dir, Du liegst ja fast in Deinen Nudeln!" "Ähm, ja natürlich."
Faten "Du wirst es nicht glauben", prophezeite Gabi Karo. "Paul ist ja so ein
Süßer!" "Rat mal, was er in der letzten Woche ausgeheckt hat!",
forderte Gabi, ihre Augen blitzten über ihrem strahlenden Lächeln. Karo horchte auf und kaute ganz bedacht auf ihren Nudeln, die sie sich
gerade in den Mund geschoben hatte. Die Ängste und Gedanken, die sie
sich in den letzten Tagen um ihre Lieblingsfriseurin gemacht hatte,
flitzten ihr ungeordnet durch den Kopf. Wie war das noch mit dem Krach
und dem Auto in der Nacht? Und Gabi war so lange nicht da gewesen! Und
diese Schramme! Gab es nun doch eine harmlose Erklärung oder meinte
Gabi ganz andere Dinge? Karo überlegte fieberhaft. "Na, nun sag schon,
was du denkst!", kam es da schon drängend von ihrem Gegenüber. Karo
schluckte und nahm noch einen großen Schluck Wasser. lucie
"Du bist klammheimlich bei ihm eingezogen, ohne mir ein
Sterbenswörtchen zu sagen." "Wie kommst Du denn darauf!" Gabi blickte
Karo schief an. "Nein, viel besser!" Das Leuchten kehrte in Gabis Augen
zurück. "Der Ärmste hat Tag und Nacht geschuftet, Überstunden ohne Ende
gemacht, um zwei Tage rauszuarbeiten. Und dann stand er plötzlich vor
meiner Tür, hat mich geschnappt und ist mit mir weggefahren. Wir waren
in einem wunderschönen kleinen Hotel am Meer, Karo, ich sage Dir, es
ist ein Traum." "Wäre es nicht einfacher gewesen, er hätte Urlaub
genommen?" "Karo, sei doch nicht so schrecklich unromantisch! Ausserdem
hätte er keinen Urlaub bekommen, weil momentan so viel zu tun ist" Gabi
lehnte sich zurück. Ihr Gesicht hatte einen schwärmerischen Ausdruck
angenommen. "Ich hatte ihn die ganze Woche nicht gesehen, ich hatte ihn
schon so vermisst." Karo versuchte krampfhaft sich nicht zu
verschlucken. "Moment Gabi, Du willst sagen, Du warst die ganze Woche nicht bei ihm gewesen?"
lucie "Nein, warum?" Gabi beugte sich vor und stellte ihre Füsse
nebeneinander. "Ausserdem wollen wir die ganze Beziehung wirklich
langsam angehen lassen, nur nichts überstürzen." "Was meinst Du mit nur
nichts überstürzen?" Karo blickte Gabi etwas verwundert an. "Wie lange
kennt Ihr Euch jetzt?" Gabi hob den Blick zur Decke. "Ich schätze mal
zweieinhalb bis drei Monate." Karo zog ihre Mundwinkel nach
unten. "Gabi, hör auf damit, Du weisst ganz genau, wie lange Ihr Euch
kennt." Gabi legte ihre Stirn in Falten. "Also gut, drei Monate und
fünf Tage, wenn Du es ganz genau wissen willst." "Und da habt Ihr noch
nichts miteinander gehabt?" Karo sah Gabi etwas ungläubig
an. "Entschuldige, Gabi, wenn ich das so direkt formuliere, aber das
ist doch ansonsten nicht Deine Art. Du gehst doch sonst auch immer auf
alles oder nichts." Gabi liess geräuschvoll die Luft aus ihrem Mund
entweichen. "Na danke, Karo." Karo legte ihre Hand auf Gabis
Unterarm. "Gabi, sei jetzt bitte nicht beleidigt, Du weisst lucie
doch, wie ich es meine." Gabi zog ihrem Arm von Karos Hand
zurück. "Paul meint es wäre besser, wenn wir uns erstmal näher
kennenlernen würden. Wenn wir dann vielleicht doch feststellen, dass
wir nicht zusammenpassen, würde eine Trennung nicht so schwer fallen,
wenn wir noch nicht zu nah beieinander gewesen wären." In Gabis Auge
schimmerte eine Träne. "Manchmal denke ich ja auch, ich gefalle ihm
einfach nicht." "Quatsch Gabi, aus welchem Grund sollte er denn mit Dir
zusammensein." Karo überlegte krampfhaft, was sie sagen könnte, um dem
Gespräch eine Wendung zu geben. "Hey, was ist eigentlich mit der
Schramme auf Pauls Wange. Ist er gegen den Schrank gelaufen?" Gabi sah
Karo irritiert an. "Ach, der Kratzer. Den hat der Hund von einem
Arbeitskollegen verursacht. Paul wollte etwas mit ihm spielen und schon
wars passiert." "Ach so", meinte Karo,"ich dachte schon, weil so ein
Tumult in seiner Wohnung war. Karo überlegte, ob sie sich nicht ein Dessert bestellen sollte.
lucie
Aber eigentlich war die Tomatensosse schon von Öl durchtränkt gewesen.
Karo schielte wiederum auf die bunten Bildchen, wo die Eisbecher
abgebildet waren. Vielleicht duch nur 2 Kugeln Eis, vielleicht ein
klitzekleines bisschen Sahne. Sie wusste, eigentlich sollte sie das
sein lassen. Aber der Eisbecher hatte sich in ihrem Gehirn verhakt.
Nein, sie würde standhaft bleiben, diesmal würde sie gewinnen. Karo
merkte, dass sie nervös wurde. "Karo!!!!" Gabi fuchtelte mit ihrer Hand
vor Karos Augen herum. Karo blickte erschreckt auf. War sie wirklich
schon wieder weggetreten? "Karo, ich hab dich gefragt, was das für ein
Tumult gewesen ist? Was ist bloss los mit dir, du hast dich irgendwie
verändert." Gabi schüttelte leicht den Kopf. "Entschuldige Gabi". Karo
senkte ihren Kopf leicht ab. "Können wir gehen, Gabi, ich brauch etwas
frische Luft." "Natürlich Karo", sagte Gabi und winkte den Kellner heran.
Auf der Strasse angekommen, atme Karo tief durch. lucie
Der kühle Abendwind schien das Verlangen nach dem Eis einfach
fortzupusten. Karo hoffte es zumindest. "Kannst du mir jetzt meine
Frage beantworten?" Gabi stand mit vor der Brust verschränkten Armen
vor ihr. "Nun ja, es hörte sich so an, als ob Möbel hin-und
hergeschoben wurden. Deswegen hatte ich ja auch die Vermutung, dass du
bei Paul eingezoegn wärst."Hm", machte Gabi,"er hat mir gar nichts
davon gesagt, dass er die Wohnung umgeräumt hat." "Vielleicht wollte er
dich überraschen." Gabi machte einen Schritt zur Seite. "Ich werde ihn
morgenmal fragen. Karo sah keine Veranlassung, warum sie das Gabi ausreden sollte. Paul hat seine Wohnung etwas umgeräumt und
wahrscheinlich ein altes Möbelstück entsorgt. Aber warum mitten in der
Nacht, meldete sich eine leise Stimme in ihrem Inneren. Höchstwahrscheinlich, weil er den ganzen Tag arbeiten musste,
antwortete Karo ärgerlich der Stimme. Und was ist mit dem zweiten Paar Füsse, die auf den Boden über dir gestampft haben?
lucie
fuhr die Stimme unbeirrt fort. Das habe ich mir eingebildet, gab Karo
zurück. Vielleicht hat ihm ja auch jemand geholfen. Und wo ist dieser
zweite dann geblieben? Die Stimme liess nicht locker. Was weiss ich
denn. Karo wurde langsam ungehalten. Ich weiss doch nicht, was sich in
Pauls Wohnung abspielt, ich bin doch nicht sein Aufpasser. Die Stimme
verstummte, liess aber irgendwie ein Gefühl des Unbehagens in Karo
zurück. Karo und Gabi gingen schweigend nebeneinander her. "Du sag mal
Karo", Gabi blieb abrupt stehen."Gehst du neuerdings ins
Fitnessstudio?" "Ja", antwortete Karo verwirrt, "warum? Woher weisst du
das?" "Paul hat es mir erzählt. Er ist in dem gleichen Studio, nur hat
er wegen der ganzen Arbeit momentan wenig Zeit dazu. Er hat dich einmal
gesehen, aber du hast ihn nicht bemerkt. Er sagt, du sasst ganz
versunken auf dem Fahrrad". Karo merkte, dass sie rot wurde. Aus einem
unerklärlichen Grund war es ihr peinlich, dass jemand bekanntes sie dort gesehen hatte.
lucie
"Ich würde gerne mal mitkommen." sagte Gabi. Karo sah sie etwas
verwundert an. "Wozu denn das, Gabi?" "Warum denn nicht, Karo? Ich
wollte mich schon immer mal aufraffen, aber alleine hatte ich keine
Lust." Gabi packte Karo am Arm. "Wir können ja auch mal zu dritt gehen
und danach noch irgendwo was trinken. Das wird bestimmt lustig! Was
denkst du?" "Naja, solange du nicht vorhast, noch sämtliche anderen
Bewohner des Hauses dort mitzuschleppen, wirds wohl gehen", brummelte
Karo vor sich hin. Eigentlich war es ihr gar nicht recht, dass Gabi sie so händeringend begleiten wollte.
Kathi
Naja, dachte Karo, nun wird es aber wirklich höchste Zeit zum schlafen,
sonst kommt Sie morgen wieder nicht aus den Federn und würde wieder mit
tiefen Augenringen rumlaufen. Außerdem ist morgen Dienstag, der Tag an
dem sie sich regelmäßig wiegen wollte. Sie war eigentlich schon recht
gespannt. Sicher konnte Sie keine Wunder erwarten, aber vielleicht
hatte sich ja wenigsten ein Pfund von Ihren Hüften verabschiedet. Wenn
nicht ist auch nicht so schlimm, ich fühle mich körperlich allein schon
durch den Sport viel besser und der Rest kommt von ganz allein. Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, wühlte sie sich fit und
ausgeschlafen wie schon lange nicht mehr und stieg direkt aus dem Bett
heraus auf Ihre Waage und Juchuuhhh!!" entwich Ihr voller Freude. Die
Waage zeigte 1 ganzen Kilo weniger als letzte Woche und das obwohl sie
gestern Essen war. Das ist die Belohnung, das ich auf das Eis verzichtet habe dachte sie und ging trällernd ins Bad um
kathi sich fertig zu machen.
Verflogen waren die finsteren Gedanken um Paul und die nächtlichen Aktionen.
lucie
Beschwingt trat Karo aus der Haustür hinaus auf die Strasse. Der Sommer
schien sich langsam seinem Ende hinzuneigen, erste leichte Nebel
stiegen aus dem Gras neben dem Haus auf. Jetzt, wo die ganze Sache mit
Paul sich geklärt hatte, fühlte Karo sich tatsächlich um einiges
erleichtert. Vielleicht deshalb der Verlust auf der Waage, kicherte
Karo in sich hinein. Sie freute sich auf den heutigen Tag. Im Büro
würde sie erstmal Anne anrufen und ihr berichten, dass sich alles
erledigt hat. Und heute abend würde sie noch ins Studio gehen und
kräftig in die Pedale treten. Sie überlegte, ob sie nicht auch mal
einen von diesen Kursen belegen sollte, das wäre sicherlich mal eine
schöne Abwechslung. Und wenn Gabi sie dann begleiten würde, hätte sie
schon etwas Koordination und würde nicht mehr so linkisch umherhüpfen.
Auf Karos Gesicht spiegelte sich ein Lächeln. Als sie ihren Kopf zur
Seite drehte, um die Strasse zu überqueren, blickte sie unbewusst nochmal zum Haus zurück.
lucie Paul stand hinter seinem Fenster und sah Karo hinterher. Einen
Augenblick lang trafen sich ihre Blicke und Karo erstarrte kurz in der
Bewegung. Dann blickte sie wieder nach vorn auf den Gehsteig und stolperte fast über den Bordstein. In Pauls Blick hatte etwas
unheilvolles gelegen, gerade so, als ob er sie verfolgen würde. Aber es
war doch alles in Ordnung, warum sollte er ihr böses wollen? Die
Gedanken schrieen hysterisch in Karos Kopf auf. Ich hab mich getäuscht,
murmelte Karo vor sich hin, es hat nichts zu bedeuten. Vorsichtig
blickte Karo nochmals zurück zum Haus, aber Paul war verschwunden. Die
Gardine hing so wie immer, als wenn niemand am Fenster gewesen wäre. Karo fröstelte etwas und setzte ihren Weg dann fort.
Im Büro angekommen drehte sich ihr Kopf immer noch um die Frage, warum
Paul ihr nachgeschaut hatte. Vor allem mit diesem Blick. Vielleicht hatte sie den Blick auch fehlgedeutet, es war immerhin ein
beträchtlicher Abstand zwischen ihnen beiden. lucie
Karo setzte sich an ihren Schreibtisch und und wählte mit etwas
zittrigen Fingern Annes Nummer. Am anderen Ende wurde der Hörer
abgenommen. "Hallo Anne". Karo spürte, dass ihre Stimme ähnlich zittrig
wie ihre Hände waren. Schnell räusperte sie sich, in der Hoffnung, Anne
hätte keine Veränderung in der Stimme festgestellt. "Hallo Karo", Annes
Stimme klang erfreut, "schön dasss du dich meldest. Ist alles soweit in
Ordnung?" "Ja, natürlich", beeilte Karo sich zu sagen, "es hat sich
alles aufgeklärt." "Nun ja, so natürlich schien das ja alles nicht, was
du mir berichtet hattest, was war denn nun wirklich los?" Karo fühlte
sich bei diesen direkten Fragen etwas unwohl. "Entschuldige Anne, ich
muss Schluss machen, Chef will mich dringend sprechen, ich ruf dich
wieder an, ja?" "Ja, sicher", antwortete Anne etwas verwundert. "Gut,
bis dann", verabschiedete sich Karo und liess den Hörer zurück auf das Telefon fallen.
lucie Mit einem Ruck liess Karo sich zurückplumsen. Was mach ich da nur,
schoss es ihr durch den Kopf. Warum belüge ich Anne! Warum sage ich ihr
nicht einfach, dass ich niemandem mehr trauen kann, am wenigsten mir selbst.
lucie Karo konnte sich den Rest des Tages kaum noch auf ihre Arbeit
konzentrieren. Immer wieder spürte sie den Blick auf sich ruhen und ein Frösteln durchlief sie.
Am nächsten Tag klingelte bei Karo das Telefon. Gabi war dran und
fragte sie, ob es ihr recht wäre, wenn sie sie am Freitag ins Studio
begleiten würde. Paul wäre dann auch da. Karo murmelte eine halbe
Zustimmung in den Hörer. "Na fein", sagte Gabi,"ich hab Paul übrigens
von der Hellhörigkeit deiner Wohnung erzählt." Karo erstarrte einen
kurzen Augenblick. "Was hat er geantwortet?" "Was soll er schon sagen
dazu, er meinte nur, er müsse seine Morde nun etwas geräuschloser
vollbringen." Karo lachte nervös auf. "Warum sagt er sowas?" "Karo, das
war ein Scherz, hast du deinen ganzen Humor verloren? Gut, Karo, wir
sehen und dann ja am Freitag." "Ja, bis dann, Gabi." Karo legte
nachdenklich den Hörer auf. Sie hatte ein ungutes Gefühl in Bezug auf Freitag.
lucie Am Freitag verliess Karo schon früh das Büro. Sie wolte noch einige
Sachen erledigen, bevor sie sich gegen 20.00 Uhr mit Gabi treffen
würde. Zusammen würden sie dann ins Studio fahren, wo Paul sich schon
befinden würde. Anschliessend würden sie alle drei noch irgendwo etwas
trinken. Karo sah den Abend fast minutiös an sich vorbeiziehen. Sie
sagte sich, es würde Spass machen und sie könne ganz unbefangen den
Abend geniessen, sie wusste aber irgendwo in ihrem Hinterkopf, dass es
nicht so sein würde. Sie hatte Angst vor Pauls Blicken und sein
Verhalten erschien unheimlich für Karo. Trotzdem würde der Abend über
Karos jetzige Situation entscheiden, so oder so. Der dreitönige Gong an
der Wohnungstür erklang und Karo schrak aus ihren Grübeleien hoch. Sie
warf einen kurzen Blick um sich, ob die Wohnung in dem Zustand war,
dass sie einen Gast vertragen konnte. So was Dummes, schimpfte sich Karo, als ob so etwas jetzt eine Rolle spielen würde.
lucie
Karo öffnete die Tür und Gabi stürmte in die Wohnung. "Karo, du bist ja
noch nicht einmal angezogen", Gabi blickte an Karo herunter. Unbewusst
schob Karo ihren sowieso schon langen Pullover noch weiter in Richtung
ihrer Knien. Sie wollte unbedingt vermeiden, dass Gabi mehr von ihren
Beinen sah, als es unbedingt notwendig sein würde, nachher im
Umkleideraum wird sie sich noch über eine Möglichkeit, sich möglichst
unbemerkt von Gabi umzuziehen, Gedanken machen müssen. Aber bis dahin
hatte sie ja noch etwas Zeit. "Ich bin sofort fertig, ich zieh nur noch
die Hose an", Karo drehte sich um und verschwand im Schlafzimmer. "Es
wird sicher ein schöner Abend heute", hörte sie Gabi vom Flur her. Ja,
ganz sicher, murmelte Karo unhörbar vor sich hin, als sie mit einiger
Mühe ihren Reissverschlus nach oben zog. Konnte ihr nicht einfach in
eben diesem Moment übel werden? Statt dessen trat Karo nach draussen
auf den Flur. "Ich bin fertig, Gabi, wir können gehen." lucie
Im Studio angekommen, schlenderte Paul ihnen schon entgegen. Er beugte
sich zu Gabis Wange hinunter und deutete einen Kuss an. Anschliessend
reichte er Karo die Hand. Karo nahm sie fast zögerlich an und vermied
es in Augenkontakt mit Paul zu treten. Sie spürte, wie sie langsam rot
wurde. "Gabi, ich gehe schon mal nach oben", sagte sie und wandte sich
der Treppe zu. "Warte, Karo, ich komme doch mit, kannst mich doch nicht
einfach hier so stehenlassen." Gabi hechtete Karo hinterher, "ich kenne
mich doch hier überhaupt nicht aus." Nach einer Weile kamen beide
wieder aus dem Umkleideraum hervor und gingen zu den Geräten hinüber.
Gabi klatschte in die Hände, als sie sah, wie Paul ein paar monstriös
aussehende Gewichte hochstemmte. "Ich will das auch mal probieren,
Paul." Gabi hörte sich mehr als begeistert an, so als wenn sie ihr
Leben darauf gelauert hatte eine 20-Kilo-Hantel in die Luft zu stemmen.
Karo schnaubte leicht verächtlich auf dem Fahrrad. Wenn Gabi sich unbedingt lächerlich
lucie
machen wollte. Schliesslich war es ihre Idee gewesen hier her zu gehen.
Das Spiel setzte sich noch über die nächste halbe Stunde hinweg fort.
Gabi klebte mit einer solchen Intensität an Paul, dass Karo vermutete,
er werde sie irgendwann statt einer Hantelstange in die Höhe stemmen.
Karo musste bei dieser Vorstellung leise kichern. Schliesslich
beschloss sie aber doch, dass es nun reichte, für Karo jedenfalls. Sie
trat zu Gabi, die gerade mal wieder in einen Begeisterungssturm
ausbrach. "Gabi, ich geh mich schon mal umziehen, ihr könnt ja noch
bisschen was machen, ich warte dann auf euch." "Karo, willst du
wirklich schon aufhören, ich fange gerade an, es wirklich lustig zu
finden und da willst du schon gehen. Verdirb doch nicht alles!" Paul
blickte Karo nachdenklich an. "Karo hat recht, wir sollten es beim
ersten Mal nicht gleich übertreiben. Karo ist eben vernünftig."
Ruckartig blickte Karo auf. Was hatte dieser zweite Satz bedeuten sollen?
Faten Karo sah Paul direkt ins Gesicht. Aber der lächelte nur und ließ sein
geliehenes schneeweißes Handtuch auf Gabis Po schnalzen. Gabi kreischte
auf. Während die beiden noch miteinander schäkerten, nutzte Karo die
Gelegenheit, um sich zu trollen. "Vielleicht kann ich es ja doch
umgehen, daß Gabi mich nackt sieht", hoffte sie. "Wo ich doch die
Dusche nach dem Sport so gerne mag." Karo seufzte. Heute würde sie sie
nicht geniesen können, sondern sich beeilen müssen. Sie hörte noch
Gabis hohes Lachen, als sie die Tür zur Umkleide aufstoß. Paul wollte
ihr noch einen dieser Shakes an der Bar spendieren. "Gut", dachte Karo
so bei sich, " dann habe ich noch etwas Zeit." Und schon stand sie
unter der Dusche und spürte das prickelnde Nass warm auf ihrem Körper.
Eine Wohltat! Ihr Rücken entspannte sich unter der massierenden Brause.
Das tat sooo gut! Wie gerne würde sie hier bleiben und nicht mehr raus
müssen. Sie griff nach dem Shampoo. "Jetzt aber los, Karo", schimpfte sie mit sich. Schnell sc
Faten
Schnell schäumte sie die Seife im Haar auf und spülte sie wieder aus.
Ihre Hand nahm das Duschgel und zerrieb es schnell auf dem Körper. Ihr
Körper. Ja, Karo war froh, daß sie jetzt nicht allzuviel Zeit hatte
darüber zu grübeln, warum sie am Dienstag immer noch nichts abgenommen
hatte. "Diese dumme dicke Bauch", dachte sie, "wenn der nicht wäre,
dann wäre ich schon um einiges attraktiver." Faten
Mit einem Gefühlsgemisch aus Wut und Traurigkeit riß Karo die
Duschkabinentür schwunkvoll aus und griff gleich darauf schon nach
ihrem weißen Badetuch, das sie sich vorhin noch vom Stapel genommen
hatte. Gerade, als sie noch versuchte, den Stoff um ihrem Busen und
Bach so zu drappieren, das er nicht gleich wieder rutschte, flog die Tür auf und eine helle Stimme sagte: "
lucie ...flog die Tür auf und Paul stand vor ihr. Karo starrte ihn an und
wich wieder in die Duschkabine zurück. Paul machte einen Schritt auf
sie zu. Irgendwie war ihr klar, dass er nicht zufällig hier war. Wo,
verdammt noch mal, steckte Gabi.Warum waren sie auch die letzten beim
Training gewesen. Würde sie hier oben irgendjemand hören, wenn sie
schreien würde? Karo stand jetzt mit dem Rücken an der Wand. Die kalten
Fliesen drückten gegen ihre Haut.Der Gedanke, dass die heisse Dusche
vorhin umsonst war, wenn sie sich jetzt gegen die kalten Fliesen
presste, huschte ihr durch den Kopf. Sie bedauerte es fast, schon
geduscht zu haben. Mit der linken Hand hielt Karo das Handtuch so
stark umklammert, dass die Knöcheln an den Händen weiss hervortraten.
Ihre Finger zitterten leicht. Karo bemerkte es. Das ist die Kälte, überlegte sie. Sie hob ihre rechte Hand, um die linke
festzuhalten. "Karo?" Karo hob den Kopf und sah, wie Paul sie kalt abschätzend anblickte.
lucie
"Du hast doch nicht Angst, Karo, Angst vor mir?" Das Zittern an der
linken Hand wurde stärker, Karos rechte Hand umkrampfte sie, ihre
Fingernägel bohrten sich in die weiche Haut. Karo starrte auf ihre
Hände, während Paul mit ihr sprach. "Gabi ist eben mit ihrem Fuss
umgeknickt, als sie die Treppe raufgehen wollte. Sie kann nicht mehr
richtig auftreten. Ich wollte ihre Sachen holen und sie dann nach Hause
fahren. Ich soll dir sagen, dass es ihr leid tut, dass wir den
restlichen Abend nicht mehr zusammen verbringen können." Die letzten
Worte hatte Paul fast schon verächtlich hervorgestossen. "Mir tut es
natürlich auch leid. Aber wir sehen uns ja doch öfter, als uns lieb
ist, nicht wahr, Karo? Ich wünsch dir noch einen schönen Abend." Paul drehte sich um und verliess die Dusche.
lucie
Karo blieb allein zurück. Sie fühlte sich hilflos und spürte, wie ihr
einfach die Tränen über die Wangen liefen. Warum? Warum musste sie es
treffen? Was hatte sie falsch gemacht? Warum wurde sie eingeschüchtert
und blossgestellt. Warum passierte ihr das alles überhaupt? Jeder
andere hätte sich ganz anders verhalten als sie, da war Karo sich
sicher. Aber was machte sie? Sie schwieg solange, bis es wirklich
unglaubwürdig werden würde, machte sie jetzt den Mund auf. Was sollte
sie jetzt auch zu dem Vorfall in der Dusche sagen? Dass Paul sie
unsittlich angeblickt hätte und ihr mitgeteilt hätte, dass Gabi sich
verletzt hat? Alle würden sie für paranoide halten,wenn sie ihnen sagen
würde, dass sie sich bedroht fühlt. Nein, sowas konnte nur ihr
passieren.Auf ihr konnte ja jeder nach Belieben rumtrampeln. Sie wehrte
sich ja nicht und würde sich statt einem Widerspruch nur ein Stück
Schokolade in den Mund schieben. Genau das würde sie jetzt am liebsten tun.
lucie
Sie wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als einfach zu Hause zu
sein und auf dem Sofa zu liegen, unbeschwert, wie noch vor einigen
Tagen. Statt dessen stand sie hier und heulte. Karo bewegte sich
langsam aus der Duschkabine heraus. Die ganze Situation war auswegslos,
wozu wollte sie sich jetzt eigentlich noch mit irgendwelchen
Essenseinschränkungen herumquälen. Warum zu diesem Zeitpunkt? Sie
beschloss noch einen Abstecher zur Tankstelle zu machen. Und dann? Karo
blickte müde im Spiegel ihr verquollenes Gesicht an. Das weiss ich auch noch nicht, antwortete Karo ihrem Spiegelbild.
Sade Als Karo das Haus verliess schossen ihr unzählige Gedenken durch dne
Kopf! "Was wollt Paul wirklich von mir" "Was will er verbergen"......
Auf dem Weg zur Tankstelle überkam Sie immer wieder Übelkeit und
Schwindelgefühl. Nach 10 Minuten war sie endlich am Ziel und stand vor der Stelage mit den Süssigkeiten.
"Was mach ich hier" - Ich will doch abnehmen - aber nur ein kleiner Riegel hat doch nicht so viele Kalorien"
Äusserlich gab Sie sich ganz gelassen aber innerlich brodelte es in Ihr - voll Angst, Selbstzweifel und Traurigkeit war Sie.
"Wirds dann bald - oder willst du den ganzen Laden kaufen" rief der
Kasierer plötzlich. Voller Überraschung über diese Unverschämtheit
bagann sie zu stottern: "Äh..ich nehm ein Mineral"
lucie Karo liess das Geld in die flache Schale klimpern. Der Kassierer blickte sie finster an und murmelte irgendetwas unverständliches. Karo
starrte unentwegt auf auf einen imaginären Punkt vor ihr und spürte, wie sie abwechselnd rot und blass wurde. Der Mann stellte die Flasche
vor ihre Nase. "Hier, bitte schön",liess er im einem unwirschen Tonfall von sich hören. "Noch was?" "Nein". Karos Stimme war kurz davor
zusammenzuklappen. Der Kassierer warf das Wechselgeld in die Schale. Karo sah einen kurzen Moment lang seine Hände. Er hatte kurze, breite
Finger und die Nägel waren abgeknabbert. Kein Vergleich zu Pauls langen gepflegten Fingern und trotzdem wären diese in der Lage jemanden etwas
anzutun. Karo musste sich schütteln. Sie griff nach den Münzen vor ihr und verliess gesenkten Hauptes den Laden. Im Gehen flüsterte sie noch
eine Verabschiedung, die vom Kassierer aber nicht entgegnet wurde, er war schon wieder an den Regalen beschäftigt. Draussen atmete Karo erstmal tief durch.
Faten Dieser herbstliche Freitagabend war mehr als dunkel. Es war nur der hellgelbe Mond zu sehen, keine Sterne. Schwarze Wolken zogen wie ein
tintenschwarzer Vorhang über die Nachthimmel. Karo spürte einen leichten Wind in ihrem Haar, als sie noch mit zitternden Knien und
wirbelnden Gedanken vor der Tür der Tankstelle stand. "Ich kann jetzt unmöglich nach Hause", dachte sie verzweifelt. "Dort ist doch Paul!"
Sie ging ein paar Schritte. Ihre Gedanken schlugen Purzelbäume. "Ich muß mit jemandem reden, ich muß einen klaren Kopf bekommen!" dachte sie
verzweifelt. Karo stand nun an der Straßenecke im Dunkeln, ein paar Schritte vom Lichtkegel einer kaltleuchtenden Straßenlaterne entfernt.
Ab und zu fuhr ein Auto vorbei. Sie fühlte sich wie ausgehöhlt und zitterte innerlich, sie war extrem aufgewühlt. Der Hunger schrie in
ihrem Körper. War es überhaupt so ein wilder Hunger oder wollte sie sich wiedermal nur ruhigstellen? Traurig blickte sie hoch in den kohlrabenschwarzen Himmel, wieder liefen ihr neue Tränen die runden
Wangen herunter. "Was soll ich nur tun?"
Sade Sie machte sich auf den Heimweg. "Was bleibt mir anders übrig - wo soll ich denn sonst hin - es interessiert sich sowieso keiner für mich"
Gedankenverloren schlich sie durch die dunklen Gassen. Es begann zu tröpfeln. Von einer Sekunde zur anderen schüttete es als wenn die Welt untergehen würde. Niemand würde ihre Tränen sehen......
lucie Ihre Verzweiflung steigerte sich weiter. Was wird passieren, wenn sie jetzt nach Hause ginge. Was hat Paul nur vor. Vor allem, von welchen
Sachen wusste Paul, dass sie es wusste. Was wusste sie überhaupt, fragte Karo sich bitter. Eigentlich stützt sich alles nur auf Vermutungen und Paul scheint kein Interesse daran zu haben, diese zu
widerlegen. Karo wusste, dass sie etwas unternehmen sollte und dass sie damit nicht mehr allzu lange warten sollte. Sie seufzte leise und
schlug den Weg nach Hause ein. Schon von weitem spähte sie nach einem Lichtschein aus Pauls Fenstern. Glücklicherweise liess sich aber nichts
erkennen. Ob das so unbedingt ein Glück ist, weiss ich auch noch nicht, redete Karo sich selbst zu. Paul wird sicherlich nicht bei voller
Beleuchtung, ja was eigentlich? An der Stelle stellte Karo fest, dass ihr jede Vorstellung fehlte, wie Paul unliebsame Mitwisser aus dem Weg
zu räumen pflegte, wahrscheinlich ähnlich wie die Opfer, was würde das für einen Unterschied machen.
lucie Karo schauderte. Inzwischen hatte sie das Haus erreicht. Paul Wohnung lag tatsächlich in vollkommener Dunkelheit da. Karo sah sich im Licht
der Strassenlaterne die Autos an, die am Strassenrand abgestellt waren, Pauls war nicht dabei. Karo entspannte sich ein wenig. Eine Hand legte
sich auf Karos Schulter. "Karo, wo warst du nur, ich warte hier schon eine Ewigkeit auf dich." Mit einem Aufschrei drehte Karo sich herum und
versuchte in der Bewegung die Hand vor ihrer Schulter zu schütteln. Vor ihr stand Anne. Karo starrte Anne an, als würde sie eine Erscheinung
sehen. "Karo, was ist los, du bist ja völlig blass. Wollen wir nicht erstmal hineingehen?" Karo erholte sich nur langsam von dem
Schreck. "Anne",stiess sie hervor,"was machst du hier, um diese Zeit!" "Naja, ich hatte versucht, dich anzurufen, aber du warst den
ganzen Abend nicht da und...," Anne suchte offensichtlich nach Worten, Karos Verhalten iritierte sie."...ich weiss auch nicht, ich habe mir irgendwie Sorgen gemacht, vor allem nach dem du am
Telefon mir etwas seltsam erschienst." Karo fiel Anne wortlos um den Hals. Sie weinte einfach hemmungslos drauflos. Die ganze Anspannung der letzten Stunden brach in diesem Moment alle
Dämme, Karo glaubte sich noch nie so erleichtert gefühlt zu haben.
lucie In dem Masse, wie die Anspannung in Karo sich löste, ging ihr Weinen langsam in ein Lachen über. Sie begann glucksende Laute von sich zu
geben. Anne schob Karo ein Stück von sich weg und blickte sie zweifelnd an. "Alles soweit ok, Karo?" "Ja, Anne, ich denke schon. Du weisst gar
nicht, wie froh ich darüber bin, dass du hier bist." Langsam beruhigte Karo sich wieder."Lass uns hineingehen." Drinnen erzählte Karo Anne ihre ganzen Erlebnisse, zumindestens alles,
was mit Paul und Gabi zusammen hing. Anne hörte schweigend zu und schüttelte dann langsam den Kopf. "Karo, du kannst doch unmöglich hier
alleine bleiben, wer weiss, was alles passieren kann." "Ich wusste nicht, wo ich hinsollte", brachte Karo mit gesenkter Stimme
hervor. "Karo, du weisst genau, dass du jederzeit bei mir auftauchen kannst." "Ja, das stimmt, Anne, nur löst das das Rätsel um Paul auch
nicht." "Und wie willst du herausbekommen, was da passiert?" Karo blickte auf einen unbestimmten Punkt.
Sade Karo blickte auf einen unbestimmten Punkt auf ihrer Decke! "Ich weiss nicht - ich weiss im moment gar nichts mehr".
Da rumpelte esauf einmal laut über den Beiden! Karo und Anne blickten sich wie versteiner an! Keiner getraute sich etwas zu sagen und beide lauschten angestrengt der Stille die dem
tosenden Lärm folgte!
lucie "Siehst du, Anne, da ist es wieder",flüsterte Karo. Unter dem lauten Krachen schien Anne ganz in den Sessel hinein verschwunden zu
sein. "Was kann das nur sein, Karo?" Anne blickte Karo zweifelnd an. Karo hob die Schultern. "Ich weiss es nicht, Anne." "Du bleibst heute
nacht nicht alleine, Karo, das steht erstmal fest und morgen überlegen wir dann, was wir weiter machen." Karo nahm Annes Vorschlag dankend an.
Am liebsten wäre sie sofort ausgezogen, aber das ging ja schlecht von jetzt auf gleich. Den ganzen restlichen Abend unterhielten sie sich nur
noch im Flüsterton miteinander, immer in der geheimen Befürchtung, es würden wieder Geräusche von oben kommen. Bei jedem kleinen Knacken
hielten sie kurz inne, bis sie wirklich einige Zeit später todmüde ins Bett fielen. "Du, Anne",flüsterte Karo von ihrem Bett her zu der Liege
hinüber, auf der Anne lag. "Was denkst du, was er dort oben in dieser Sekunde tut?" Einen längere Pause entstand. Karo dachte schon, Anne
hätte sie nicht mehr gehört und wollte sich schon auf die andere Seite zum Schlafen umdrehen. "Ich weiss es nicht, Karo, aber ich hab so eine Ahnung, dass es sicher nichts gutes ist."
Sade Ein lauter Schrei riss die beiden aus dem Schlaf! Wie benebelt sprangen sie aus dem Bett. Karo schaute Anne hilflos an.
lucie Am nächsten Morgen wachte Karo noch vor Anne auf, obwohl sie ansonsten ein ausgesprochener Langschläfer war. Die Ereignisse der letzten Zeit
begannen doch ziemlich an ihren Nerven zu zerren. Sie drehte sich herum auf die andere Seite und blickte durch die transparenten Vorhänge
geradezu auf die Bäume hinaus, die vor dem Haus standen. Die Blätter begannen schon langsam sich gelblich einzufärben. Es würde nicht mehr
allzu lange dauern und es würde Herbst. Karo genoss diese morgentliche Stille. In diesem Moment war es einfach unvorstellbar für sie, dass in
diesem Haus schreckliche Sachen passiert seien sollen, diese Schreie waren einfach ein zu krasser Gegensatz zu dem jetzigen, trügerischem Frieden. Langsam fing auch Anne an, sich auf ihrer Liege zu
bewegen. "Guten Morgen, Anne, hast Du den Rest der Nacht noch gut geschlafen", flüsterte Karo hinüber. Von Anne war nur ein Brummen zu
vernehmen. Nach einer Weile sah Karo, wie Anne sich aus den Decken hochkämpfte und sich hinsetzte.
"Karo,ich weiss, was wir jetzt machen." Karo setzte sich ebenfalls in ihrem Bett auf. "Du packst ein paar Sachen zusammen und wir
verschwinden erstmal aus deiner Wohnung hier. Ich glaube kaum noch, dass Paul sich der Illusion hingibt, du hättest von alledem noch nichts
mitbekommen. Vermutlich hält er dich für so verschüchtert, dass du es nicht wagen würdest, irgendetwas zu sagen. Was ist überhaupt mit den
anderen Mietern, kriegen die denn nichts mit?" Karo schüttelte den Kopf. "Unsere beiden Wohnungen sind praktisch in einer Nische, die
anderen Wohnungen sind auf der anderen Seite des Flurs, sie stehen überhaupt nicht mit unseren Wohnungen in Verbindung. "Hm, gut, also,
wie gesagt, du schnappst dir ein paar Sachen, rufst ein Taxi und tust so, als würdest di ein paar Tage in den Urlaub fahren. Ruf
vorsichtshalber auch nochmal Gabi an und sage ihr, dass du wegfährst." Karo blickte Anne fragend an. "Nun; Karo, ich gehe davon aus, dass Paul dich heimlich beobachtet, wie du reagierst."
"Und was immer er in seiner Wohnung dort oben getan hat, er wird es sicher befreiter tun, wenn er dich abwesend weiss, also tun wir ihm den
Gefallen. Natürlich werden wir heimlich beobachten, was er tut, aber du bist erstmal aus seiner Schusslinie und da erscheint mir fast als
wichtigste zur Zeit." Anne schwang sich von der Liege."Ich werde jetzt auch sofort verschwinden und ich hoffe, dass Paul mich nicht unbedingt
aus deiner Tür kommen sieht." Anne machte sich auf den Weg ins Bad. "Das Wichtigste ist nur",Annes Stimme wurde fast von Rauschen der
Dusche übertönt. "Das Wichtigste ist nur, dass du keinesfalls Paul die Tür öffnest und auch nicht so tust, als würdest du in Panik die Wohnung
verlassen." Anne drehte die Dusche ab. Karo hörte, wie einzelne Tropfen auf dem Boden der Dusche zersprangen. "Je ruhiger und gelassener du
bist, um so weniger wird Paul vermuten, dass du viel gehört hast." Anne kam wieder in das Zimmer zurück. "Du denkst, das funktioniert, Anne?"
Anne zuckte kaum merklich mit den Schultern. "Versuchen wir es so, Anne, viel anderes bleibt uns ja auch nicht übrig." Karo schwang sich
entschlossen aus den Bett. "Jetzt wird Paul uns richtig kennenlernen, so schnell lassen wir uns nicht einschüchtern."Ihr Blick fiel auf
Anne. "Ich danke dir überhaupt dafür, dass du da bist." Nachdem Anne das Haus verlassen hatte, machte Karo sich daran ihre
Sachen zu packen. Als sie ihre kleine Tasche fast voll hatte, rief sie bei Gabi an. Gabi nahm nach dem ersten Klingeln sofort den Hörer ab.
Karo vermutete, dass Gabe das Telefon direkt neben sich zu stehen hatte. "Hallo Gabi, wie geht es dir?" Karo versuchte, möglichst
unbeschwert zu klingen. "Danke,Karo, schon wieder ganz gut, nur laufen kann ich noch nicht richtig, ich werde mich wohl noch ein paar Tage
schonen werden. Aber das ist ja nicht so schlimm, Paul hat mir versprochen heute nochmal bei mir vorbeizuschauen." Karo atmete tief durch.
"Dann brauch ich ja kein schlechtes Gewissen zu haben, dass ich ein paar Tage nicht dabin und dich nicht besuchen kann." "Du bist nicht da,
Karo, wo willst du denn hin?" "Ähm, ich will nur Verwandte besuchen, die wohnen am Meer und da war ich auch so lange nicht mehr gewesen."
Karo merkte, wie ihre Stimme einen leicht unsicheren Klang bekam. Gabi schien davon aber nichts mitzubekommen. "Ach so, naja, wenn das so ist,
denn wünsche ich dir viel Spass und melde dich danach doch wieder, ja?" "Na klar, Gabi, das mache ich bestimmt, bis dann." Karo fühlte
sich etwas erleichtert, als sie den Hörer aufgelegt hatte. Gabi schien ihr soweit alles geglaubt zu haben und wird es dann in der entsprechenden Art auch Paul weitergeben. Als sie an Paul dachte, war
sie einen Moment still und legte ihren Kopf in den Nacken. Aber oben war alles still. Karo wandte sich wieder ihrer Tasche zu. Eigentlich könnte ich noch das
Fernrohr einpacken, überlegte sich Karo. Wenn ich jetzt nur so schnell wüsste, wo das ist. Nach kurzem Überlegen fiel es ihr ein, sie hatte es in diese Kiste im
Keller getan. Karo setzte sich aus Bett. Sollte sie es tatsächlich wagen in den Keller zu gehen? Das würde bedeuten, sie würde den Schutz
der Wohnung aufgeben. Karo stand energisch auf. Was sollten diese Gedankengänge, schliesslich konnte und wollte sie sich nicht verstecken
vor Paul. Ich übertreibe mal wieder masslos mit meinen Befürchtungen, schalt Karo sich innerlich. Sie schnappte sich den Kellerschlüssel und
öffnete die Wohnungstür. Vorsichtig blickte sie hinaus und machte zögerlich einen Schritt aus der Tür hinaus. Leise schloss sie die Tür
hinter sich. Sie huschte den Flur entlang, bis sie an der Kellertreppe angelangt war. Langsam schritt sie die Stufen hinunter, immer darauf
bedacht, keinen Lärm zu machen. Unten angekommen versuchte sie mit zittrigen Finger die Tür zu den Kellerräumen aufzuschliessen. Sie
versuchte ein paarmal erfolglos den Schlüssel nach rechts zu drehen, bis sie plötzlich erkannte, dass die Tür nicht versperrt war. Ein leichter Schreck
durchfuhr sie. Ach hör auf, Karo, beruhigte sie sich selbst, es ist nicht das erstemal, dass die Kellertür nicht verschlossen ist. Lautlos
öffnete Karo die Tür ud lauschte hinein. Es war kein Laut zu hören. Karo ging hinein und blickte sich vorsichtig um. Zu ihrer Rechten
standen die Schlafzimmermöbel von der alten Frau, die ihr gegenüber gewohnt hatte. Sie war vor zwei Wochen in ein Heim gekommen und der
Vermieter hatte die Möbel erstmal hier in den Keller geschafft, um die Wohnung schnell weiter vermieten zu können. Leise ging Karo weiter. Da
hörte sie im hinteren Bereich des Kellers ein Dose umfallen, daraufhin schlug eine Flasche auf den Boden auf und zerbrach klirrend. Ein lautes
Fluchen war zu hören. Karo erstarrte in der Bewegung. Das war ganz eindeutig Pauls Stimme gewesen. Ein erneutes Fluchen erklang und Karo
stellte fest, dass die Stimmer viel näher gekommen war. Da hörte sie auch schon Pauls Schritte, die genau in ihre Richtung steuerten. Karo spürte Panik in
sich aufsteigen. Gehetzt blickte sie sich um und floh hinter die Schlafzimmermöbel. Dort blieb sie wie gebannt stehen. Die Schritte waren nun fast auf ihrer Höhe. Da spürte sie etwas warmes an ihrem
Bein. Karo konnte in letzten Moment den Impuls umterdrücken aufzuschreien. Sie sah an ihrem Bein hinunter und entdeckte Pauls kleine Katze, die ängstlich zu Karo aufblickte. Paul war jetzt auf
gleicher Höhe mit ihnen und liess erneut einen Schwall Flüche von sich hören. Es klang, als hätte Paul getrunken. Die Katze presste ihren
kleinen, zitternden Körper an Karo.Karo versuchte der Katze unhörbar Mut zuzusprechen, vermutlich sprach sie sich den aber eher selbst zu.
Karo lehnte ihren Kopf zurück. Ein schwacher Geruch nach Urin zog zu ihr hinüber. Sie musste sich schütteln. Dabei geriet ein neben ihr stehender Topf gefährlich ins Wanken.
Der Topf gab schlurfende Geräusche von sich und kippelte ein paarmal hin und her. Paul blieb stehen und hob leicht den Kopf. Karo konnte
durch einen Spalt hindurch sehen, wie er leicht schwankte. Er hatte also doch was getrunken. "Wer ist denn da?", brachte er mit etwas
belegter Zunge hervor. Die Stille, die folgte, schien sich endlos hinzuziehen. Da hörte Karo ein schwaches Miauen und blickte automatisch
zu ihrem Fuss hinunter. Die Katze war nicht mehr dort. Statt dessen hörte sie, wie Paul lospolterte. "Du warst das also gewesen! Musst du
dich immer überall rumtreiben!" Die Katze ergriff die Flucht in den hinteren Teil des Kellers. "Komm sofort her",schrie Paul und schwankte
der Katze hinterher. "Ich krieg dich, du dummes Mistvieh, und dann dreh ich dir Stück für Stück den Hals um." Karo schauderte. Paul geriet
allmählich ausser Blickweite. Karo wusste, dass jetzt der Moment gekommen war,um etwas zu tun. Sie schätzte den Weg zwischen sich und
der Tür ab. Sie müsste es eigentlich schaffen. Mit einem Satz sprang sie hinter den Möbeln hervor und rannte auf die Tür zu. Paul bmerkte sie aus den
Augenwinkeln heraus und drehte sich unsicher um. "Hey, Karo, wie nett, dass du mir auch noch Gesellschaft leisten willst", brüllte er durch
den Keller, "irgendsowas hab ich mir doch gedacht.Wo willst du denn so schnell hin." Karo hörte nur die Hälfte von dem, was Paul sagte, es
interessierte sie auch nicht. Sie hatte nur ein Ziel, die Tür zu erreichen. Sie ergriff die Türklinke und die Tür flog nach aussen auf.
Karo stürmte hindurch und schlug die Tür hinter sich zu. Mit fliegenden Händen versuchte sie den Schlüssel in das Schloss zu stecken, was ihr
nach dem vierten Anlauf auch gelang. Sie drehte den Schlüssel zweimal nach links um und lehnte sich halb erschöpft gegen die Tür. Sie wusste,
sie würde nicht viel Zeit haben, spätestens wenn Paul mit seinem Schlüssel an der Tür ist, wäre ihr Vorsprung zunichte. Sie stiess sich
von der Tür ab und rannte die Treppe nach oben weiter bis in ihre Wohnung. Ihre einzige Hoffnung war, dass Paul in seinem jetzigem Zustand den Weg
nicht so schnell zurücklegen konnte. Karo riss den Hörer vom Telefon und wählte die Notrufnummer. Es war ihr in diesem Moment egal, ob die
Leute dort ihr glaubten oder nicht. Am anderen Ende meldete sich jemand. Karo gab ihren Namen und ihre Adresse durch und schilderte kurz
ihre Lage. "Einen Moment, wir schicken sofort jemanden vorbei." Karo hörte am anderen Ende im Hintergrund ein Gewirr von Stimmen und
Telefonklingeln. Wieviele von den Anrufern würden jetzt wohl in einer ähnlichen Situation stecken? Karo bedankte sich und liess den Hörer auf
das Telefon zurückgleiten. Jetzt konnte Karo nicht viel mehr tun als abzuwarten. Ängstlich lief sie vor in den Flur und lauschte an der
geschlossenen Wohnungstür. Es war nichts zu hören. Karo rutschte an der Tür hinunter, bis sie auf dem Boden angekommen war. Ihr war kalt. Fröstelnd schlang sie die Arme um die Knieen. Da hörte sie,
wie im Hausflur ein Schlüsselbund auf den Boden fiel. Karo schreckte zusammen. Das konnte niemand anderes als Paul sein. Kurz darauf betätigte jemand ihre Klingel. Karo veränderte ihre
Position nicht. "Karo, du bist da, das weiss ich doch",hörte Karo Paul sagen. "Du hast mich im Keller eingeschlossen, damit ich dir nicht
folgen kann, Karo, stimmts? Aber ich weiss ja, wo du wohnst." Paul fing an zu kichern. "Musstest dir alles mit anhören und dann auch noch Gabi
erzählen." Paul schnaubte verächtlich. "Gabi, sowas naives ist mir noch nie begegnet. Die hat mir doch tatsächlich alles geglaubt. Aber ich
musste ja eine Freundin haben." Paul fing leise an zu weinen. "Niemand in der Firma hätte es akzeptiert, dass ich keine Freundin haben kann,
dass ich keine Frauen lieben kann." Pauls Stimme wurde durch die Tränen hindurch immer undeutlicher, so dass Karo schon Mühe hatte, ihn
überhaupt noch zu verstehen. "Weil ich doch schwul bin." Kurz darauf hörte sie das Gerassel von Handschellen. Eine ruhige dunkle Stimme forderte Paul zum Mitkommen auf. Karo hörte von drinnen,
wie Paul mit dem Polizisten fortging. Sie traute sich immer noch nicht die Tür zu öffnen. Wiederum klingelte es an Karos Wohnungstür. Karo wusste, dass der
zweite Polizist davor stand. Wie im Traum schloss sie die Tür auf. Ein unauffälliges Gesicht mit einem gleichgültigen Gesichtsausdruck blickte
sie an. "Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" Karo nickte fast unmerklich mit dem Kopf. "Können wir denn gleich die Anzeige erstellen?" Wieder
nickte Karo. Sie setzten sich in Karos Wohnung und Karo schilderte mit mechanischer Stimme, was sie die letzten Tage gehört und gesehen hatte.
Der Mann forderte noch weitere Leute an. "Muss ich noch hierbleiben?", fragte Karo. Der Polizist schüttelte den Kopf."Nein, gehen sie ruhig,
wir melden uns noch bei ihnen." Karo stieg die Stufen zum Keller nochmals hinunter. Ein bisschen mulmig war ihr schon dabei, andererseits hatte sie noch gar nicht richtig verstanden, was überhaupt
passiert war. Karo öffnete die Kellertür und ein kleines Fellbündel schoss an ihr vorbei in die Freiheit. "Oh, mein Gott, Karo." Anne starrte Karo fassungslos an. Karo winkte
ab. Ist schon gut, Anne, ich werde drüber hinweg kommen. Ich würde nur gerne auf dein Angebot zurück kommen und ein paar Tage hierbleiben. Ich
weiss nicht, ob ich gleich wieder in diese Wohnung zurückkehren kann." "Natürlich, Karo, so lange, wie du willst." Karo blieb aber doch
nur den Rest der Wochenendes bei Anne. Trotz Annes Drängen, doch noch länger bei ihr zu verweilen, fuhr sie Montag früh wieder zurück. Es war
ein eigenartiges Gefühl wieder ihre Wohnung zu betreten. Die Erinnerungen strömten sofort wieder auf sie ein, als hätten sie in irgendeinem Winkel auf sie gelauert. Karo stellte ihre Tasche ab und
liess sich auf den Sessel fallen. In diesem Moment klingelte ihr Telefon. Karo hob den Hörer ab und meldete sich. Der Polizist vom
Samstag war am Telefon. "Wissen sie überhaupt, in welcher Gefahr sie die ganze Zeit geschwebt haben?" Karo schauderte etwas. "Nein, warum?" Unwillkürlich kamen ihr die Geräusche
aus Pauls Wohnung ins Gedächniss. "Paul Wiesner hat verschiedene Männer über Kontaktanzeigen kennengelernt. Es waren zumeist ältere, die aus diversen Gründen Interesse daran hatten, ihre
Homoseualität zu verbergen. Herr Wiesner hat diese in seine Wohnung gelockt, mit einem Lösungsmittel betäubt und sie dann misshandelt. Dann
hat er sie im betäubten Zustand irgendwo ausgesetzt und darauf vertraut, dass diese Männer schweigen würden." Karo lief es kalt den
Rücken hinunter."Warum hat er das getan?" "Das wissen wir auch nicht. Warum aber sind sie nicht früher bei uns aufgetaucht, nachdem sie das
erste Mal die Geräusche vernommen hatten." Karos Augen füllten sich mit Tränen. "Das weiss ich auch nicht", flüsterte sie ins Telefon. "Naja",
meinte der Mann am anderen Ende der Leitung, "so schnell werden sie Herrn Wiesner sicher auch nicht wiedersehen. Er ist jetzt erstmal in
psychatrischer Behandlung." Nachdem das Telefonat beendet war, blickte Karo sich in der Wohnung um. Sie wusste gar nicht so richtig, was sie jetzt anfangen sollte. Am
liebsten würde sie sich ins Bett legen und nur noch heulen. Sie erhob sich aus dem Sessel und ging auf die Terasse hinaus. Sie würde ihre Pflanzen noch winterfest machen müssen. Einsam stand noch der
Liegestuhl herum und erinnerte flüchtig an den Sommer. Karo ging hinüber, um ihn zusammen zuklappen. Da hörte sie aus seinem Inneren ein
dünnes Miauen. Ein kleines dunkles Stückchen Fell sprang von dem Stuhl hinunter und eilte auf Karo zu. Karos Gesicht erhellte sich. Sie nahm
die kleine Katze auf den Arm und drückte ihr Gesicht in das weiche Fell. "Wir beide werden das schon schaffen", flüsterte sie der Katze ins Ohr. Als Antwort erhielt Karo ein sanftes Schurren.
Ende?
Lucinda Nein, das Schnurren der Katze war noch nicht das Ende... Karo begab sich in ihr Bett und genoß die behagliche Wärme. Ja, das
Wetter war tatsächlich ungemütlich geworden. Die Monate waren dahin gegangen, das Jahr neigte sich seinem Ende zu. Und wieder hatte Karo das
Gefühl, ein Jahr verschenkt zu haben. Sie war immer noch dick; sie verbrachte immer noch 90% ihrer Lebenszeit damit, über ihren Zustand zu
klagen; immer noch kamen diese Freßattacken - schlimmer waren nur noch die teigigen, verschwitzten Tage n a c h den Freßanfällen. Tage, an
denen einem alles so zum Hals raushängt, trotzdem frißt und frißt man, wie im Koma. Karo hatte lange nicht mehr darüber nachgedacht, obwohl sie
regelmäßig von ihrer Gier heimgesucht wurde. Diese dicken Speckrollen auf Bauch und Hüften, es waren die Zeichen ihrer Freßgier. Wie sie sich
in diesem Moment dafür schämte, immer wieder so völlig unkontrolliert zu sein! Wenn man das Fett doch nur einfach wegzaubern könnte...
Bitte hier weiterlesen.
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