Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern (Buchvorstellung**)

Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern* von Torsten Matschiess ist dieses Jahr neu im Ulmer Verlag erschienen. Matschiess propagiert eine authentische Gartengestaltung, die zum jeweiligen Standort und seinen Gegebenheiten passt statt des Kopierens eines gerade angesagten Stils. Wie wundervoll solche authentischen Gärten aussehen können, zeigen die Fotos von Spitzenfotograf Jürgen Becker im Buch. Sehr inspirierend.

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Als ich den Titel Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern* las, wurde ich neugierig. Gab es einen neuen Gartentrend, von dem ich noch nicht gehört hatte? Dass es nicht um eine neue Variation von Schotter- oder Gummimulchflächen ging (Letztere habe ich bisher zum Glück nur in einer amerikanischen Gartengestaltungsdoku gesehen), war schon am Coverbild zu erkennen: Das Foto zeigt einen Garten, in dem großzügig mit Pflanzen – ihren Formen, Farben und Strukturen – in die Fläche, nein: in den Raum (!) gestaltet wurde. Und der doch wie Natur wirkt. Ich wollte mehr wissen.

Als das Buch ein paar Tage später bei mir eintraf und ich es öffnete, konnte ich es gar nicht mehr beiseitelegen. Es ist unterhaltsam geschrieben, Torsten Matschiess‘ Freude am Experimentieren und Beobachten, am Entwickeln von Gärten und Pflanzengemeinschaften dem Standort und seinen Besonderheiten entsprechend, aber auch am Hinterfragen eingefahrener Regeln und Systeme wirkte auf mich ansteckend. Dass sich diese „authentische“ Gartengestaltung lohnt, beweisen die vielen wunderschönen und stimmungsvollen Bilder von Jürgen Becker.

Um es gleich zu sagen: Das Buch enthält keine Anleitungen, wie man was am besten gestaltet oder welche Pflanzen man wie miteinander kombiniert, sondern es will – meinem Eindruck nach – dazu inspirieren, dem eigenen Gelände mit seinen Möglichkeiten nachzuspüren und mit diesem Wissen einen individuellen, authentischen Garten zu entwickeln.

In Kapitel 1 geht es um das erste Jahr mit einem neu erworbenen Garten. Oft passen die Vorstellungen von einem schönen Garten und die Standortgegebenheiten nicht zusammen, was zu Problemen wie Pflanzenausfällen und nicht eingeplanten Kosten führen kann. Manche Gartenbesitzer und Gartengestalter wollen möglichst schnell einen (scheinbar) fertigen Garten vorweisen und kaufen große Gehölze – die dann aber weniger an den Standort angepasst sind als Gehölze, die von Klein auf dort gewachsen sind. Andererseits verändern Gehölze, die jung gepflanzt oder gesät werden, mit ihrem Wachstum die Standortbedingungen in ihrer Umgebung, sodass die ursprünglichen Begleiter in unmittelbarer Nähe bald nicht mehr dorthin passen.
Der Autor ging bei seinem eigenen Garten weiter als die meisten Gartenbesitzer und auch als viele Gartengestalter – er hat nicht nur darauf geachtet, welche Pflanzen ihm gefallen und auch nicht einfach Pflanzen aus einer Datenbank herausgefiltert, die in etwa dem örtlichen Klima und der Region entsprechen könnten (was immerhin schon ein Schritt Richtung Nachhaltigkeit ist), sondern seinen Standort mit jeder kleinen, örtlich begrenzten Besonderheit, anhand der Ruderalflora zu begreifen versucht. In eine Senke, wo sich Wasser und Nährstoffe sammeln, gehören eben andere Pflanzengemeinschaften als auf eine trockene Erhebung, auf einem verdichteten Teilstück andere als auf dem ansonsten durchlässigen Boden. Außerdem legte er Sortenvergleichs- und andere Testpflanzungen an und führte eigene Selektionen durch. Ein Gartenflüsterer in dem Sinne, dass er versucht, aus einem gegebenen Gelände und seinen Gegebenheiten das Beste und Einzigartige herauszuholen.

In Kapitel 2 erfährt man mehr über die Motivation des Autors und seine persönlichen Gartenphilosophien – da geht es um Ökologie und Ökonomie – Rasenflächen sind arbeitsaufwändiger und teuerer als authentische Gehölz- und Staudenpflanzungen, und auch um Diversifikation und Invasion – wenn die Hummeln den Neuling mögen, warum soll man ihn dann verteufeln, wenn es doch um die Förderung der Vielfalt geht?

Um Gestaltung im engeren Sinne geht es im dritten Kapitel. Matschiess zeigt so simpel wie beeindruckend, dass es raffiniertere Möglichkeiten der Sichtverstellung und Raumgestaltung gibt als Vertikalschotter, Mauern und Hecken – Möglichkeiten, die gleichzeitig den Blick von drinnen nach draußen neu öffnen und aufwerten können. Wie auch schon in den Kapiteln vorher stellt der Autor gerne mal alte Regeln in Frage.

Das 4. Kapitel, Lieblingspflanzen, ist Pflanzen gewidmet, die entweder mehr Aufmerksamkeit verdienen, oder die der Autor in einen neuen Zusammenhang setzt. Außerdem legt er offen, worüber die meisten Fachleute gerne schweigen: das Scheitern – vor dem selbst ein Gartenflüsterer nicht hundertprozentig sicher ist.

Über den Autor
Torsten Matschiess kam als Quereinsteiger zur Gartenentwicklung und Staudenverwendung, aber er hat sich an den Besten orientiert und von ihnen gelernt und er hat sich vor allem selbst tief in die Praxis gekniet und reichlich Erfahrungen gesammelt. Sein Garten Alst ist vielen Garten- und Pflanzenliebhabern bekannt. Längst setzt er eigene Akzente in der Branche, gestaltet Gärten, berät und ist ein gefragter Fachautor und Referent. Siehe auch Studio Torsten Matschiess.

Über den Fotografen
Jürgen Becker gehört zu den weltweit erfolgreichsten Gartenfotografen und erhielt schon viele Preise für seine Arbeit. Er setzt auch Matschiess authentische Gärten wunderbar fotografisch in Szene.

Mein Fazit: Ein anregendes Buch für Gartenbesitzer und Gartengestalter, die sich von einem Gartenflüsterer dazu inspirieren lassen möchten, eine individuelle und authentische Gartengestaltung für ihr Gelände (oder das eines Kunden) zu entwickeln und auch bereit sind, manche Regel zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Der flexible Einband bei einem Buch dieser Größe (ca. 24,5 x 24,5 x 2 cm) war im ersten Moment ungewohnt, aber ich kam damit dann sehr gut zurecht. Das Layout des Buches ist eher klassisch schlicht, hält sich im Hintergrund und lässt den Autor und die Bilder des Fotografen für sich sprechen.

Das Buch gehört zur neuen „Edition Gartenpraxis“ und ist 2017 beim Ulmer Verlag erschienen, von dem auch das Pflanzenmagazin Gartenpraxis herausgegeben wird.

Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern*
von Torsten Matschiess (Autor) und Jürgen Becker (Fotograf)
Ulmer Verlag**, Stuttgart 2017
192 S., 228 Farbfotos, Flexcover
ISBN 978-3-8001-0872-5

* Werbelink
** Ich habe vom Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar erhalten.

Über Eva Schumann

Garten(bau) und Gärtnern sind meine Therapie und Leidenschaft und sie waren viele Jahre mein Beruf. Zu meinem Gartenbau-Studium kam ich über den zweiten Bildungsweg, denn da lernte ich den Spaß am Lernen und so wurde lebenslanges Lernen zu meinem Lebensmotto. Ich bin Fachfrau auf mehreren Gebieten, denn ich habe mehrere Ausbildungen (Einzelhandelskauffrau Parfümerie, abgeschlossenes Studium Gartenbau, Weiterbildung Netzwerk- und Internetmanagement, Schulungen technische Redaktion, IT, Mobilfunknetze, Programmierung, Datenbanken und mehr) und auch ausgiebig Berufserfahrung gesammelt. Daneben bin ich immer leidenschaftliche Hobbygärtnerin (Garten, Balkon, Terrasse) und Hobbybörsianerin (aus Begeisterung für das Internet) geblieben. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt heute als freie Journalistin, Bloggerin, Texterin, Buchautorin und Technische Redakteurin (mehr siehe www.evaschumann.biz) sowie über meine werbefinanzierten Publikationen im Internet (Portalseite www.tinto.de). Buchen Sie Werbeplatz oder bestellen Sie frische Texte, Bilder oder anderen Content bei tinto@tinto.de oder eschumann@evaschumann.biz
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