Agrar-Ökologie kontra Agrar-Industrie

Agrarökologie kontra Agrarindustrie

Monokulturen sind nicht die Zukunft, denn nach einiger Zeit laugen sie die Böden aus, und erfordern einen hohen Energieeinsatz in Form von Düngern, Pestiziden etc.

Ein Nachschlag zum gestrigen Dokumentarfilm „Die Zukunft pflanzen“ von Marie-Monique Robin in ARTE

Wohin bringen uns Agrarindustrie, Agrochemie und manche Auswüchse der Biotechnologie (beispielsweise die Agrar-Gentechnologie) vom heutigen Stand aus gesehen? Zu einer besseren und nachhaltigen Versorgung der Weltbevölkerung bei Erhalt der Umwelt und Schaffung anständiger Lebensbedingungen von Mensch und Tier? Oder zu Monokultur, Landschaftsverödung, Abhängigkeit von Großunternehmen, Umweltschäden, Gesundheitsschäden, Bienensterben, Arbeitslosigkeit und Verarmung auf dem Land? Ich fürchte, es ist Letzteres.

Bei jedem sollten die Alarmglocken läuten, wenn irgendwo „grün“ als Adjektiv benutzt wird. Denn „grün“ steht nicht immer für „Bio“, „Nachhaltigkeit“ und „Ökologie“, sondern oft für Methoden, die mir und vielen anderen überhaupt nicht grün sind, beispielsweise:

  • Grüne Gentechnik = Gentechnik im Agrarbereich (gentechnisch veränderte Sorten etc.)
  • Grüne Revolution = Einsatz von Hochertragssorten und Intensivierung der Landwirtschaft (große Flächeneinheiten, Einsatz von Düngern und Pestiziden – die mit hohem Energieaufwand erzeugt werden müssen, Maschineneinsatz etc.)

Dass es weltweit bereits Lösungen jenseits der Produkte und Strukturen der Agrarkonzerne gibt, zeigt der Film „Die Zukunft pflanzen“ sehr schön, der gestern in ARTE gezeigt (Quellen und Links siehe unten) und anschließend diskutiert wurde. „Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Chemie, das 21. Jahrhundert ist definitiv das Jahrhundert der Biologie“, sagt der deutsche Bio-Bauer Friedrich Wenz im Film.

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Systemwandel erforderlich

Die Nahrungsmittelproduktion des 20. Jahrhunderts war zwar produktiv, aber überwiegend unökologisch, mit den bekannten Folgen – sie muss ökologischer und nachhaltiger werden. Dass ökologisch nicht mit Ertragsminderung einhergeht, zeigen die Erfahrungen der deutschen Bio-Bauern Manfred und Friedrich Wenz und auch die Langzeitstudien des Rodale-Instituts in Pennsylvania/USA, wo die Erträge von biologischer und konventioneller Produktionsweise bei Soja, Weizen und Mais über 30 Jahre miteinander verglichen wurden. Die biologische Landwirtschaft verbraucht 45 % weniger Energie und produziert 40 % weniger Treibhausgase. Die Erträge waren in normalen Jahren ungefähr gleich, in Trockenperioden schlug sich der Bio-Anbau etwas besser, auch weil der humosere Boden ein besseres Wasserhaltevermögen hat und die Pflanzen ein besseres Wurzelwachstum zeigen.

Die Lösungen für die aktuellen Probleme der Welternährung (9 Milliarden Menschen werden es voraussichtlich 2050 sein) und des Klimawandels sind weder die Ausweitung der Agrarindustrie, aber auch nicht ein Zurück in die Vergangenheit und in schlechte landwirtschaftliche Produktivität. Der Weg sollte in eine Landwirtschaft führen, bei der einerseits die Produktivität hoch ist, aber andererseits die Abhängigkeit der Nahrungsproduktion von fossilen Energieträgern und die Abhängigkeit der Bauern von ausbeuterischen Agrokonzernen verringert wird. Eine moderne Landwirtschaft, besonders in den Entwicklungsländern, basiert auf besseren, klimafreundlichen Anbautechniken, die oft lokal erarbeitet werden müssen. Beispiele wurden im Film „Die Zukunft pflanzen“ gezeigt. Der kleine Bauer vor Ort muss besser wertgeschätzt und unterstützt werden, denn tatsächlich erreicht er dann eine höhere Produktivität bei weniger Umwelt- und Klimabelastung, kann seine Familie und sein Vieh ernähren, Produkte verkaufen und ein gutes, selbstständiges Leben führen.

Im Bann der Lobbyisten

Vor dem Start des eigentlichen Dokumentarfilmes wurden die mit Inbrunst vorgetragenen Behauptungen des französischen Landwirtschaftsministers Bruno Le Maire, ohne Pestizide seien die Erträge zu gering, und einem Vertreter der Ernährungsindustrie, Jean-René Buisson (früher beim Danone-Konzern), ein Verzicht auf Pestizide vermindere die Erträge um 40 % und erhöhe die Kosten um 50 %, aus einer früheren Diskussion vorgespielt. Aussage: Es gäbe keine Alternative zu Pestiziden.

Doch der Alltag ökologisch arbeitender Landwirtschaftsbetriebe und die Beispiele aus dem Film lassen mehr als Zweifel an solchen Aussagen aufkommen (wobei ich persönlich den Ausdruck Pestizid sowieso zu allgemein finde, denn auch Seifenlauge ist ein Pestizid. Aber wir wissen, was gemeint ist).

Doch die Eindringlichkeit, mit der solche Behauptungen wie oben vorgetragen werden, schüchtert ein – auch Marie-Monique Robin war zuerst eingeschüchtert, hat sich dann aber zum Glück auf Spurensuche gemacht und diesen neuen Dokumentarfilm gedreht.

Doch ist diese Einschüchterung mit vermeintlichen Fakten ja kein Einzelfall, sondern Alltag. Der Politiker an sich hat in der Regel erst einmal keine Ahnung von dem Thema, für das er mit seinem neuen Amt verantwortlich ist. Er muss sich schnell einarbeiten und glaubt dann gerne – mangels unabhängiger wissenschaftlicher Forschung an staatlichen Hochschulen – Beratern aus der Wirtschaft/Industrie, sprich Interessensvertretern (=Lobbyisten). Er gibt den Druck, der ihm durch die Lobbyisten gemacht wird, dann an die Medien und Bürger weiter – wenn diese nicht sowieso auch Zielgruppe von „Unternehmenskommunikation“ oder „politischer Kommunikation“ direkt sind.

Leider haben große Unternehmen immer auch einen großen Einfluss, denn einerseits haben sie Geld, das sie Parteien und Interessensgemeinschaften spenden oder Hochschulen für Forschungsprojekte zur Verfügung stellen können, andererseits haben sie oft auch ein Wissensmonopol, zumindest aber einen Wissensvorsprung gegenüber anderen und werden dann als Berater von der Politik und Informationsquelle der Medien (einschließlich Blogs) herangezogen. Dabei vergessen diese manchmal, dass Vertreter von Unternehmen und von diesen unterstützte Interessensgemeinschaften nicht objektiv – also gut für die Gemeinschaft – beraten, sondern die Erfolgsvision ihres Arbeitgebers bzw. ihrer Gruppe unterstützen wollen. Ein Unternehmen aber will vor allem Geld verdienen und Arbeitnehmer bzw. Geförderte möchten gerne glauben, dass sie für ein gutes Unternehmen arbeiten (deshalb hat auch jedes Unternehmen eine veröffentlichte Corporate Identity, in der steht, dass sie die Menschheit glücklich machen werden). Wie viel objektiv gute Beratung für die Allgemeinheit kann man also wirklich von der Beratung durch Lobbyisten oder von diesen beeinflussten Menschen erwarten? Keine!

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Egal ob Großbanken, Stromkonzerne, Quasi-Monopolisten im Internet, Agrochemiekonzerne oder andere Großunternehmen – sie alle haben eines gemeinsam: Man darf ihnen nicht trauen, nicht als Politiker, nicht als Journalist und auch nicht als Otto-Normalverbraucher. Das ist für mich persönlich eine wirklich große Herausforderung – wahrscheinlich nicht nur unserer Zeit -, dass man ständig entscheiden muss, wem man glauben kann. Man darf sich weder von Lobbyisten, noch von einer (vielleicht gut gemeinten) Welle der Entrüstung eines manipulierte Mobs davontragen lassen. In diesem Fall „Agrar-Ökologie kontra Agrar-Industrie“ habe ich persönlich mich dafür entschieden, Marie-Monique Robin und den Personen, die sie zu Wort kommen lässt, zu glauben und mich für die Agrar-Ökologie entschieden.

Fazit

„Wir brauchen einen Kurswechsel. Die alten Rezepte haben ihre Gültigkeit verloren.“, sagt Olivier de Schutter, UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Ernährung, in dem Film. Der Meinung schließe ich mich an.

Die grüne Revolution und andere Aktionen, die die Großunternehmen der Agrarindustrie reich gemacht haben, mögen ihre gute Absicht und auch Erfolge (Erhöhung der Produktivität) gehabt haben, doch sie sind nicht die Lösung der Probleme der heutigen Zeit oder der Zukunft, wo es neben der Produktivität unbedingt um Lebensqualität in der (dritten) Welt, die besonders vom Klimawandel betroffen ist, Ökologie und Nachhaltigkeit gehen muss. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht von den Agrokonzernen und ihren wirtschaftlichen Interessen zu Lasten der Weltbevölkerung bevormunden lassen. Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft sind Beispiele für neue Wege, in die die Anstrengungen von Forschung und Wissenschaft jetzt gehen müssen.

Quellen und weiterführende Informationen

Über Eva Schumann

Garten(bau) und Gärtnern sind meine Therapie und Leidenschaft und sie waren viele Jahre mein Beruf. Zu meinem Gartenbau-Studium kam ich über den zweiten Bildungsweg, denn da lernte ich den Spaß am Lernen und so wurde lebenslanges Lernen zu meinem Lebensmotto. Ich bin Fachfrau auf mehreren Gebieten, denn ich habe mehrere Ausbildungen (Einzelhandelskauffrau Parfümerie, abgeschlossenes Studium Gartenbau, Weiterbildung Netzwerk- und Internetmanagement, Schulungen technische Redaktion, IT, Mobilfunknetze, Programmierung, Datenbanken und mehr) und auch ausgiebig Berufserfahrung gesammelt. Daneben bin ich immer leidenschaftliche Hobbygärtnerin (Garten, Balkon, Terrasse) und Hobbybörsianerin (aus Begeisterung für das Internet) geblieben. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt heute als freie Journalistin, Bloggerin, Texterin, Buchautorin und Technische Redakteurin (mehr siehe www.evaschumann.biz) sowie über meine werbefinanzierten Publikationen im Internet (Portalseite www.tinto.de). Buchen Sie Werbeplatz oder bestellen Sie frische Texte, Bilder oder anderen Content bei tinto@tinto.de oder eschumann@evaschumann.biz
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Eine Antwort auf Agrar-Ökologie kontra Agrar-Industrie

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