Claude Martin, promovierter Biologe und langjähriger Generaldirektor des World Wide Fund For Nature (WWF) International liefert im 34. Bericht an den Club of Rome, „Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Wälder noch wenden können“, zusammen mit weiteren Tropenwaldexperten, einen differenzierten Zustandsbericht über die tropischen Regenwälder der Welt: Gehen die tropischen Regenwälder verloren, verlieren wir nicht nur diese einzigartigen Ökosysteme mit ihrem Artenreichtum und ihrer Genvielfalt, sondern auch das Ökoleistungssystem „tropischer Regenwald“ mit seiner Wirkung als Treibhausgas- und Wasserspeicher und damit Klima-Stabilisator. Einerseits beschleunigt der Rückgang der tropischen Regenwälder den Klimawandel, andererseits treibt der Klimawandel den Verlust des tropischen Regenwaldes an. Martin schließt seinen Bericht mit einen Maßnahmenkatalog, mit dem ein weiterer Verlust der Regenwälder und die unkalkulierbaren Folgen für das Klima noch aufzuhalten sein könnten. Absolut lesenswert!
Am 21. Juli 1969 betraten die ersten Menschen den Mond, da sollte man annehmen, dass wir im 20. Jahrhundert auch schon wussten, was bei uns auf der Erde los ist. Doch weit gefehlt. Im 34. Bericht an den Club of Rome „Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Wälder noch wenden können“, erschienen dieser Tage im oekom-Verlag, beschreibt Claude Martin, wie schwierig es bis vor kurzem war, überhaupt verlässliche standardisierte Daten zum tropischen Regenwald zu finden, um seine Entwicklung systematisch analysieren zu können. Die betroffenen Länderregierungen waren überfordert oder unwillig und auch die Wissenschaft war noch nicht so weit – es gab beispielsweise keine dauerhafte einheitliche Klassifizierung von Wäldern und tropischen Regenwäldern. Erst mit der Fernerkundung wurde die Situation besser und die Entwicklung messbar. Außerdem gibt es jetzt keine Möglichkeiten der Vertuschung oder für Ausreden mehr.
Abholzung und Nutzung gibt es schon lange durch die indigene Bevölkerung, doch waren die wenigen Menschen nur mit Macheten und Äxten bewaffnet – die kleinen Lücken ihres Wanderfeldbaus konnte der Regenwald aus sich selbst heraus wieder schließen. Was aber jetzt passiert, kann der tropische Regenwald nicht überwinden: die großflächige Abholzung mit Bulldozern und Kettensägen für den Anbau von Palmöl und Soja und für den Abbau von Bodenschätzen. Aber auch die selektive Abholzung der Edelhölzer schadet dem Wald, wenn sie nicht mit den Prinzipien nachhaltiger Forstwirtschaft einhergeht, denn wenn beispielsweise viele Transportstraßen den Wald zerteilen, verliert der seine Regenerationskraft und wird in Folge dann oft genug auch für landwirtschaftliche Zwecke gerodet. So geht Stück um Stück tropischer Regenwald verloren und neue Flächen kommen kaum hinzu.
Der Kampf um die Landnutzung ist ein Kampf verschiedener Interessen: Während sich Umwelt- und Klimaschützer für den Erhalt der tropischen Regenwälder einsetzen, üben Energie-, Bergbau- und Agrarindustrie Druck auf Regierungen wie beispielsweise die in Brasilien aus, die vorbildlich Schutzgebiete ausgewiesen hatte.
Noch haben wir die Chance, die Reste des Regenwaldes zu erhalten, so Martin. Doch reicht es nicht, als Umweltschützer Lärm zu machen und zu hoffen, dass die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) es dann schon richten wird – die FAO ist zu langsam und die Findung des kleinsten gemeinsamen Nenners für die engagierteren Teilnehmer zu frustrierend. Besser ist es, auf allen Ebenen aktiv zu werden, beispielsweise Führungspersonen mit Visionen und Durchsetzungsvermögen für den Erhalt des Regenwaldes zu gewinnen, Allianzen zu schließen und Verbraucher aufzuklären. Ökonomen lassen sich mit dem ökonomischen Wert ökologischer Systeme überzeugen, das Thema ernst zu nehmen – auch wenn das nur eine von mehreren wichtigen Perspektiven auf die Dinge und manchem Umweltschützer erst einmal unangenehm ist.
Ansatzpunkte für Regierungen sind verbindliche Landnutzungspläne sowie dafür zu sorgen, dass Waldflächen nicht durch Straßenbau zerteilt werden. Wichtig sind auch die Verfolgung des illegalen Holzabbaus, die Pflicht zur nachhaltigen Forstwirtschaft (FSC-Zertifizierung), der Kampf gegen Korruption, die Schaffung und Anwendung von Strafrechtssystemen, der Schutz der indigenen Territorien vor illegalen Eindringlingen (weil die Ureinwohner ihre Gebiete erfahrungsgemäß ebenso gut erhalten wie als Schutzgebiet ausgewiesene Regionen). Aber auch die internationale Gemeinschaft sollte sich einsetzen, beispielsweise mit Vorschriften für den Palmölanbau.
Es steht nicht gut für die tropischen Regenwälder, manche Errungenschaft der letzten Jahre steht schon wieder auf der Kippe. Aber die Situation ist nicht aussichtslos. Es muss entschlossen gehandelt werden. Jetzt. Global. Und alle sind gefragt, mitzuwirken: die internationale Gemeinschaft, Regierungen, Wissenschaftler, Umweltschützer, Klimaschützer, Unternehmen und Verbraucher.
Über das Buch
Das Buch enthält ein Vorwort von Harald Lesch, Physiker und Wissenschaftsjournalist, sowie ein Geleitwort von Anders Wijkman und Ernst Ulrich von Weizsäcker, Präsidenten des Club of Rome. Der Text des Autors wird ergänzt durch zahlreiche Beiträge von Tropenwaldexperten, Abbildungen, Fotos sowie Expertenmeinungen. Es schließt es mit Handlungsempfehlungen für die Zukunft, einem Schlusswort, Quellen, verschiedenen anderen Anhängen und einem Glossar.
Endspiel: Wie wir das Schicksal der Tropischen Regenwälder noch wenden können*
Claude Martin
oekom verlag, München
Printausgabe: gebundenes Buch
320 Seiten 22.95 Euro (D)
ISBN 3865817084
Auch als E-Book erhältlich.
Mein persönliches Fazit zum Buch: Engagiert, informativ, differenziert. Sehr lesenswert!
Von den Schwierigkeiten überhaupt verlässliche und vergleichbare Daten zu erhalten, um Entwicklungen beobachten und bewerten zu können, bis zum heutigen Zustand der tropischen Regenwälder in Amerika, Asien und Afrika – man lernt viel beim Lesen, vor allem, dass man genau hinschauen muss. Wodurch kommt die Entwaldung zustande, wer sind die Akteure? Was wurde schon versucht, und was hat es gebracht? Die Antworten unterscheiden sich von Erdteil zu Erdteil, von Land zu Land, von Fall zu Fall.
Ein Buch für alle, die mitreden können wollen!
Erläuterungen
Der Club of Rome ist eine gemeinnützige Organisation und setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Der 1. Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“, eine von ihm beauftragte Studie, erschien 1972 und versuchte zum ersten Mal die Zukunft der Welt im Rahmen verschiedener Szenarien vorherzusagen.
Der WWF ist eine der größten Umweltschutzorganisationen der Welt. Er setzt sich ein für Umweltschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt.
* Bild und gekennzeichneter Link sind Werbelinks
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