Monsanto als ungebetener Gast im Garten?

Stand und Klarstellung 12.5.2013: Mir ging es mit dem Monsanto-Artikel nicht darum, Züchter oder Händler schlecht zu machen, sondern darum, Transparenz zu schaffen. Weder bin ich persönlich gegen Hybrid-Saatgut aus der klassischen Züchtung, noch finde ich die Sorten von De Ruiter prinzipiell schlecht – und erst recht nicht die Unternehmen Nebelung, Gärtner Pötschke oder Wyss oder deren Marken. Fakt ist einfach nur, dass De Ruiter und Seminis von Monsanto aufgekauft wurden. Dadurch stammten plötzlich manche Sorten der Hobbygartenmarken-Sortimente obiger Unternehmen von Monsanto-Tochterunternehmen.

Hinweis: Manche Webseiten haben sich seit Erstellung des ursprünglichen Artikels (Mai 2012) geändert – so stehen die Namen Volmary GmbH, Bruno Nebelung GmbH, Gärtner Pötschke, Wyss Samen und Pflanzen AG heute nicht mehr auf der Website von Seminis. Meine Stichproben heute haben ergeben: Einzelne Sorten der Marken Kiepenkerl Profi-Line und von Gärtner Pötschke sind laut EU-Datenbank De Ruiter zuzuordnen – nicht alle! Bei meinen Stichproben zu Wyss-Sorten habe ich heute keine Sorte von De Ruiter gefunden. Jeder, der möchte, kann seine Sorten mit Hilfe der EU-Datenbank selbst recherchieren. Sollte jemand andere Ergebnisse haben, bitte ich um Bescheid.

Zwei neuere Artikel von mir zum Thema gibt es hier: Monsanto in meinem Garten (März 2016) und Monsanto und Bayer sind nicht so verschieden, wie manche glauben (Juni 2016)

Monsanto ist ein weltweit agierender und seit 1927 börsennotierter Konzern, der Agrarprodukte herstellt und vertreibt. Monsanto ist für viele Umweltschützer das Feindbild Nr. 1 und auch viele umweltbewusste Hobbygärtner, aber auch (Bio-) Erwerbsgärtner, würden keine Monsanto-Produkte für ihren Garten kaufen oder das Unternehmen in irgendeiner Form unterstützen, wenn der Name Monsanto denn auf den Produkten draufstünde. Kritisiert an Monsanto werden u. a. die Produktion und Verbreitung von gentechnisch veränderten Sorten (nicht in Deutschland), Pflanzenschutzmitteln und allgemein die Agrarindustrie-Strategien des Unternehmens – beispielsweise mit welchen Methoden Monsanto Bauern, vor allem in Entwicklungsländern, in eine zerstörerische Abhängigkeit triebe.

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Viele Hobbygärtner wurden 2012 durch Meldungen in Blogs aufgeschreckt, dass auch in Deutschland bei Hobbygärtnern beliebte Saatgut-Marken wie Kiepenkerl und Sperli mit Monsanto in Verbindung stünden. Manch erschütterter Hobbygärtner ist gleich soweit gegangen, sein gesamtes Kiepenkerl- und Sperli-Saatgut wegzuwerfen. Ist das gerechtfertigt?

Welche Unternehmen/Marken zu Monsanto gehören, findet man auf der Monsanto-Webpage (alle Links siehe unten). Zu den Unternehmen/Marken im Bereich Gemüsesorten („Vegetable Seed Brands“) gehören De Ruiter Seeds (lt. Wikipedia von Monsanto gekauft 2008) und Seminis (lt. Wikipedia von Monsanto gekauft 2005).
Monsanto im Garten?

Geht man auf die De Ruiter Seeds Kontaktseite, wird als Kontakt für Deutschland die Volmary GmbH angegeben (Nachtrag 2013: Inzwischen werden Monsanto-Adressen in Deutschland angegeben). Volmary wiederum nennt als eine von mehreren ihrer Geschäftstätigkeiten die „Steuerung der Pflanzen-Markenkonzepte ‚Volmary®‘, ‚Soul Food®‘ und ‚Kiepenkerl® Profi-Line® Pflanzen'“. Jedem Hobbygärtner bekannt ist der Markenname Kiepenkerl, denn Kiepenkerl und Sperli gehören zu den beliebtesten Marken für Hobbygärtner-Saatgut. Recherchiert man in der Datenbank des Deutschen Patent- und Markenamtes, findet man: Die Marken Kiepenkerl und Kiepenkerl Profi-Line gehören der Bruno Nebelung GmbH, die übrigens vor kurzem auch über eine neugegründete Sperli GmbH die Markenrechte an „Sperli“ und „Carl Sperling’s Gartenidee“ erworben hat (Sperli-News vom 2.11.2011). Zu denken gibt, dass im Impressum von www.kiepenkerl.com die Volmary GmbH und die Bruno Nebelung GmbH beide nebeneinander angegeben sind – und zwar links die Volmary GmbH, die ja, wenn es alphabetisch gehen würde, rechts stehen müsste.

Aber auch auf der Seminis-Webseite findet man Verbindungen zum Hobbygarten-Saatgutvertrieb, denn dort wurde auf die Zusammenarbeit mit diesen Firmen hingewiesen: Volmary GmbH, Bruno Nebelung GmbH, Gärtner Pötschke, Wyss Samen und Pflanzen AG. (Nachtrag 2013: Auf der Seminis Webseite werden keine Namen mehr genannt.)

Aber kann man nun den Schluss ziehen, dass Volmary nur De Ruiter Saatgut handelt und alle, die sonst etwas mit Volmary zu tun haben, De Ruiter Seeds- sprich Saatgut einer Monsanto-Tochter verkaufen, weil Volmary als Deutschland-Kontakt für De Ruiter Seeds angegeben ist? Die gleiche Frage stellt sich wegen der Beziehung zwischen Seminis und den genannten Firmen. Eigentlich kann man diesen Schluss so nicht ziehen, denn, nur weil ein Laden ein ungeliebtes Produkt enthält, muss ja nicht der ganze Laden schlecht sein.

Aber wer züchtet und vermehrt denn nun eigentlich die Sorten hinter den Hobbygärtner-Marken? Ist das De Ruiter Seeds und damit eine dem Monsanto-Konzern gehörende Firma oder sind es verschiedene Züchter?

Auf der Nebelung-Webseite findet man das ganze Kiepenkerl-Programm mit vielen traditionellen Sorten (genannt „historischer Gemüsesamen“), die ich noch aus meiner Studienzeit Anfang der 1980er Jahre kenne, mit neuen Sorten (wozu auch Sorten der Kiepenkerl-Linie Profi-Line gehören), mit Bio-Saatgut (EU-Bio-Siegel, auch Teil der Kiepenkerl Profi-Line) und viele mehr. Auf der separaten Sperli-Seite heißt es, dass die Saatzuchtstandorte Quedlinburg und Lüneburg DAMALS zu den wichtigsten Züchtungsstandorten gehörten, HEUTE seien die Sperli-Produkte WELTWEIT gezüchtete Blumen- und Gemüsesamenspezialitäten.

Monsanto – der Feind in meinem Beet?

Tatsächlich ist es nicht ein einzelner Züchter, der hinter einer Hobbygärtner-Marke steht, sondern verschiedene. Um der Sache auf den Grund zu gehen, muss man letztendlich für jede einzelne Sorte herausfinden, wer sie gezüchtet hat. Dafür kann man sich der Plant Variety Database der EU bedienen. Die hat einen Katalog „Vegetable species“ (Gemüse), in welchem man nach dem Züchter bzw. Maintainer (Sortenerhalter) recherchieren kann. Dazu gibt man, nachdem man Section „Varieties“ ausgewählt hat, bei „Variety Name“ den Sortennamen ein (z. B. ‚Goldflame‘ – eine Paprika-F1-Hybride aus der Kiepenkerl-Profi-Line-Serie) und wählt bei „Species“ die Art (in diesem Fall „H 12 – Chili, Pepper – Capsicum annuum …“). Dann klickt man auf „Search“ (Suchen). Auf der Ergebnisseite findet man dann im Details-Feld unter „Maintainers“ eine verlinkte ID (in diesem Fall „NL 73“). Klickt man darauf, hat man den Züchternamen: De Ruiter Seeds BV. Macht man das Gleiche für die Paprika-Sorte ‚Mavras‘ (eine F1-Hybride auch aus der Kiepenkerl-Profi-Line-Serie), dann findet man als Maintainer „Enza Zaden Seed Operations BV“. Es sind also nur ein Teil der Kiepenkerl-Profi-Line-Sorten von De Ruiter!

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Wie sieht es bei Saatgut von anderen Hobbygärtner-Marken aus? Für die Paprika-Sorte ‚Gourmet‘, die sowohl von Sperli sowie Thompson & Morgan angeboten wird, lautete das Ergebnis: Gartenland Produktion GmbH Aschersleben. Sucht man nach der Sorte ‚Bendigo‘ (Paprika-Hybridsorte aus dem Gärtner Pötschke-Sortiment) erhält man als Ergebnis Enza Zaden Seed Operations BV. Recherchiert man nach der Riesenpaprika ‚Pantos‘, die im Angebot der Bingenheimer Saatgut AG ist, erhält man: Kultursaat e.V. für Züchtungsforschung und Kulturpflanzenerhaltung auf biologisch-dynamischer Grundlage. Für Tomatensorten erhält man ein ähnlich gemischtes Bild.

Es gibt also Möglichkeiten, De Ruiter Seeds, Seminis – oder wen auch immer man aus persönlichen Gründen abstrafen will – zu boykottieren, indem man jede Sorte recherchiert und kein Saatgut dieses Züchters kauft.

Ich selbst bin noch unentschlossen, wie meine Sortenempfehlungen in Zukunft aussehen werden und ob ich Sorten aus dem Hause De Ruiter Seeds und Seminis und damit Monsanto grundsätzlich nicht mehr empfehlen soll, auch wenn ich sie als Sorten an sich gut finde. Denn einige der neuen Sorten haben den Garten meiner Meinung nach bereichert und dank Resistenzen (die natürlich nicht durch Genmanipulation, sondern durch Auswahl- und Hybridzüchtung zustande kamen!) vermutlich geholfen, den Pflanzenschutzmitteleinsatz im Gemüsegarten und im Erwerbsgartenbau zu reduzieren bzw. den Ertrag der Gärtner zu sichern. Und viele Sorten waren ja schon längst da, bevor Monsanto De Ruiter Seeds übernahm. Für mich eine schwierige Entscheidung.

Und würde es Monsanto Anlass zum Umdenken geben (und das Unternehmen dazu bringen, De Ruiter Seeds an ein Bio-Unternehmen zu verkaufen ;-))? Den einzelnen Hobbygärtner wird De Ruiter Seeds/Monsanto wohl nicht spüren, aber wenn Bruno Nebelung oder Gärtner Pötschke Saatgut/Sorten von anderen Züchtern bevorzugen, würden sie das vielleicht schon merken. Und auf die haben Hobbygärtner sehr wohl Einfluss – vermute ich jedenfalls.

Allerdings muss man auch bei anderen Saatgutzüchtern schauen, wer dahinter steht. Oft genug sind es Chemie-Giganten wie Bayer Crop Science, Dow Chemicals und andere.

Nachtrag 2019: Inzwischen hat Bayer Monsanto übernommen! (siehe dazu auch: Monsanto und Bayer sind nicht so verschieden, wie manche glauben)

Welche Alternativen zu Monsanto oder anderen Chemie- oder Biotechnologie-Megakonzernen hat man?

Ein paar gibt es schon. Man kann

  • Jede Sorte eines Saatgutsortiments mithilfe der EU-Datenbank checken
  • Saatgut von samenfesten Sorten selbst gewinnen und im nächsten Jahr wieder anbauen
  • Saatgut von ökologisch agierenden Züchtern kaufen (beispielsweise von der Bingenheimer Saatgut AG, Dreschflegel Bio-Saatgut)

Quellen und ergänzende Informationen

  • Plant Variety Database (Hier kann man den Züchter jeder Gemüsesorte sowie landwirtschaftliche Sorten nachschauen)
  • Monsanto (Wikipedia-Artikel)
  • Nachtrag 2019:
    Stellungnahme: Kiepenkerl – Monsanto (Bruno Nebelung GmbH)
  • Nachtrag 2019:
    Stellungnahme Sperli – Monsanto (Sperli)
  • Woher kommt mein Saatgut? (Projekt Landeier)
  • Monsanto-Marken (Monsanto-Website)
  • De Ruiter Seeds (De Ruiter Seeds)
    Nachtrag 5.3.2013
    De Ruiter Seeds hat eine neue Website. Nun ist nur die Verbindung zu Seminis, aber nicht mehr zu Volmary aufgeführt. Als Ansprechpartner wird Monsanto Agrar Deutschland GmbH in Neustadt a. Rbg. genannt.
  • Volmary Selbstporträt (Volmary Website)
    Nachtrag 5.3.2013
    Volmary beschreibt sich nach wie vor als Marketing-Stratege für Kiepenkerl Profi-Line. Schaut man die Sorten in der EU-Datenbank nach, ist der „Maintainer“, z. B. bei Tomaten, überwiegend De Ruiter Seeds BV
  • Seminis (Seminis Website)
    Nachtrag 12.05.2013
    Seminis hat die Website geändert und schreibt nun: „Unsere führenden Hobbygarten Sorten sind über namhafte Firmen für Hobbygarten-Saatgut erhältlich.“

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Über Eva Schumann

Garten(bau) und Gärtnern sind meine Therapie und Leidenschaft und sie waren viele Jahre mein Beruf. Zu meinem Gartenbau-Studium kam ich über den zweiten Bildungsweg, denn da lernte ich den Spaß am Lernen und so wurde lebenslanges Lernen zu meinem Lebensmotto. Ich bin Fachfrau auf mehreren Gebieten, denn ich habe mehrere Ausbildungen (Einzelhandelskauffrau Parfümerie, abgeschlossenes Studium Gartenbau, Weiterbildung Netzwerk- und Internetmanagement, Schulungen technische Redaktion, IT, Mobilfunknetze, Programmierung, Datenbanken und mehr) und auch ausgiebig Berufserfahrung gesammelt. Daneben bin ich immer leidenschaftliche Hobbygärtnerin (Garten, Balkon, Terrasse) und Hobbybörsianerin (aus Begeisterung für das Internet) geblieben. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt heute als freie Journalistin, Bloggerin, Texterin, Buchautorin und Technische Redakteurin (mehr siehe www.evaschumann.biz) sowie über meine werbefinanzierten Publikationen im Internet (Portalseite www.tinto.de). Buchen Sie Werbeplatz oder bestellen Sie frische Texte, Bilder oder anderen Content bei tinto@tinto.de oder eschumann@evaschumann.biz
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