Selbstversorger ohne eigenen Garten? Kein Problem!

Wer davon träumt, Obst, Gemüse und Kräuter selbst anzubauen und frisch auf den Tisch zu bringen, braucht diesen Traum auch bei fehlendem eigenen Garten nicht aufgeben. Dank technischer Neuerungen sowie durch zahlreiche Initiativen und Projekte gibt es viele Möglichkeiten, zum Selbstversorger ohne eigenen Garten zu werden.

hili-/Paprika- und Tomatenanbau in den Sommermonaten geht auch im Pachtgarten, auf der Mietparzelle, im Gemeinschaftsgarten und anderswo. Sogar auf dem Balkon oder der Terrasse mit ausreichend Licht.
Chili-/Paprika- und Tomatenanbau in den Sommermonaten geht auch im Pachtgarten, auf der Mietparzelle, im Gemeinschaftsgarten und anderswo. Sogar auf dem Balkon oder der Terrasse mit ausreichend Licht.

Wer keinen eigenen Garten hat, muss auf das Gärtnern nicht verzichten. Vor allem die Urban-Gardening-/Urban-Farming-/Urban-Horticulture-Trends haben die Möglichkeiten erweitert, Obst, Gemüse und Kräuter auch ohne eigenen Garten anzubauen und zu ernten. Diese Möglicheiten hat man trotz des Namens (urban gardening = städtisches Gärtnern) nicht nur im städtischen Umfeld, sondern auch auf dem Land.

Seit Jahrzehnten bewährt: Gärtnern in Kästen und Kübeln auf der Terrasse oder dem Balkon

Wer einen Balkon oder eine Terrasse hat, kann Obst, Gemüse und Kräuter in Töpfen und Kästen ziehen. Tatsächlich ist das sogar recht praktisch, denn man kann die Pflanzen immer wieder neu anordnen, je nachdem wie der Entwicklungszustand und die Standortbedingungen zur jeweiligen Jahreszeit sind.

Der knappe Platz wird besser ausgenutzt, wenn man auch in die Vertikale geht („Vertical Farming“): Man stellt Regale für die Töpfe mit klein bleibenden Gemüsen (Salat, Radieschen, Möhren etc.) und Kräutern (Basilikum, Petersilie, Thymian etc.) auf, hängt Ampeln für hängende Arten wie Erdbeeren, Birnenmelone und hängende Chili-Sorten auf und ähnliche Maßnahmen mehr. Wer kreativ ist und handwerklich begabt, der kann auch alte Paletten zu Regalen umbauen, Holzgitter oder andere Spaliere  mit Topfhaltern bestücken oder eine bepflanzbare Matte daran anbringen und so eine Kräuterwand bauen.

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Anbau in Pflanzerde oder als Hydroponik-System?
Auf Balkon und Terrasse wird traditionell in erdähnlichen Substraten gepflanzt. Die Gefäße mit den Pflanzerden sollen den Pflanzen Halt geben und Nährstoffe und Wasser speichern. Am Ende der Pflanzenkultur wird die „verbrauchte“ Erde kompostiert und/oder wiederverwendet. Wer keine Möglichkeit der Kompostierung hat, kann sie über die Biotonne entsorgen – die Kompostierung wird dadurch zwar in ein Kompostwerk verlagert, aber das Prinzip des Stoffkreislaufes bleibt erhalten.

Gemüseanbau in Kübeln auf der Terrasse: hier Auberginenpflanze

Gemüseanbau in Kübeln auf der Terrasse: hier Auberginenpflanze

Alternativ zur Kultur in Erde, kann man aber auch ohne Erde anbauen. Bei Zimmerpflanzen gibt es die Hydrokultur (auch Hydroponik genannt) bereits seit Jahrzehnten. Das Prinzip ist aber auch auf einem (bevorzugt überdachten) Balkon oder einer (überdachten) Terrasse umsetzbar. Dabei wird entweder in Einzeltöpfen oder in einem System kultiviert – bei letzteren kann man mehrere bepflanzbare Kunststoffrinnen übereinander anordnen, um keinen Platz zu vergeuden. Pflanzen in Hydroponiksystemen erhalten Wasser und Nährstoffe über eine Nährlösung, die in den Wurzelbereich gepumpt wird. Überschüssige Nährlösung wird aufgefangen und recycelt. Kritisch an Hydroponiksystemen kann man den hohen Einsatz an Kunststoff, Technik sowie den energieaufwändig hergestellten, löslichen Dünger sehen.

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Aber egal, ob man mit oder ohne Erde anbaut: Wichtig ist, dass man dafür sorgt, dass alle Pflanzen windsicher stehen oder hängen, höhere Pflanzen angebunden sind und dass alle ihrem Bedarf entsprechend Licht, Nährstoffe und Wasser erhalten. Ab Frühjahr werden vor allem weniger empfindliche Gemüse mit kurzer Kulturdauer wie Salat und Radieschen angebaut, während der frostfreien Zeit ab Mitte Mai folgen die Fruchtgemüse wie Tomaten, Auberginen und Stangenbohnen. Kleinbleibende Apfelbäume oder winterharte Minikiwis werden üblicherweise vor eine Wand gestellt und können ganzjährig draußen bleiben. Auch manche Kräuter kann man über mehrere Jahre im Topf draußen überwintern, beispielsweise Schnittlauch und Thymian. Andere wie Rosmarin kann man in einem kühlen Raum am Fenster überwintern und nach dem Winter wieder hinausstellen.

Topfregal für das Vertical Gardening auf der Terrasse oder dem Balkon

Topfregal für das Vertical Gardening auf der Terrasse oder dem Balkon (Eisenregale etc. gibt es beispielsweise bei Gärtner Pötschke*)

Gärtnern auf der Fensterbank, im Zimmer (Indoor Farming) und im Dach-Gewächshaus

Wer weder Garten, noch Balkon, noch Terrasse hat, kann auf der Fensterbank, beispielsweise im erweiterten Blumenfenster, oder im Zimmer, beispielsweise (in einem Zimmergewächshaus) mit Kunstlicht, anbauen.

Es gibt fertige Systeme und solche zum Selbermachen – und zwar sowohl für den Anbau mit Erde als auch für die erdelose Kultur.

Beispiele für Indoor-Hydroponik: Systeme von OPCOM vorgestellt bei YouTube

Die Krönung des Pflanzenanbaus ohne Erde in geschlossenen Räumen oder auch in (Dach-)Gewächshäusern ist die Kombination von erdeloser Kultur (Hydroponik) mit Fischzucht (Aquakultur) zu Aquaponik – wobei die Fischausscheidungen zum Dünger für die Pflanzen werden.
Salat und Fische teilen sich ein Becken (YouTube-Kanal Landesschau Baden-Württemberg)

Window Farm
Eine Besonderheit des Anbaus im Zimmer ist die „Window Farm“, die Fensterfarm – im Grunde ein selbst gebautes Hydroponiksystem aus recycelten PE-Flaschen, die bepflanzt und mittels einer Pumpe mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Die Window Farm wird wie ein Vorhang ins Fenster gehängt, was sehr dekorativ aussehen kann. Zahlreiche Bauanleitungen findet man im Internet per Suchmaschine mit dem Suchwort „windowfarm“.

Gärtnern in Gemeinschaftsgärten

(Urbane) Gemeinschaftsgärten sind Projekte, die Menschen eines Wohnortes oder eines Viertels das Gärtnern und die Selbstversorgung ermöglichen und sie ganz nebenbei einander näherbringen. Zu ihnen gehören die interkulturellen Gärten, Generationengärten, Mietergemeinschaftsgärten, Frauengärten, Kreativgärten, Heilgärten und so weiter. Angebaut wird meist in gewachsenem Boden, allerdings bei Bürgerprojekten in der Stadt auch in Kästen oder anderen Containern mit Substrat, wenn der Untergrund belastet, betoniert oder aus anderen Gründen für den Anbau im Boden nicht geeignet ist

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Bei den Gemeinschaftsgärten unterscheidet man die, bei denen jeder seinen eigenen Bereich zum Pflanzen, Pflegen und Ernten hat, von solchen, bei denen die gesamte Fläche von allen gemeinsam bewirtschaftet wird. Aber die Übergänge sind fließend: Bei manchen Gemeinschaftsgärten werden die Gemüsebeete einzelnen Nutzern oder Familien zugeteilt, aber Kräuter werden in einem gemeinsamen Beet von allen angebaut. Wer wissen möchte, wo genau sich ein Gemeinschaftsgarten in seiner Nähe befinden, kann beispielsweise die interaktive Deutschlandkarte oder die Datenbankabfrage von Anstiftung nutzen.

Grünkohlsorten und Zuckermais für die Spätsommer-/Herbsternte. Der Nutzungszeitraum für Mietparzellen endet meist im Spätherbst - Gemüse überwintern kann man dort in der Regel nicht.
Grünkohlsorten und Zuckermais für die Spätsommer-/Herbsternte. Der Nutzungszeitraum für Mietparzellen (gemietet für eine Gartensaison) endet meist im Spätherbst – Gemüse überwintern kann man dort in der Regel nicht.

Miet-Gartenparzellen

Manche Landwirte/Gärtner bieten Gartenparzellen an, die man für eine Saison mieten kann. Der Landwirt oder Gärtner bereitet den Boden vor und meist sät oder pflanzt er sogar schon die erste Kultur der Saison. Der Mieter darf dann pflegen und ernten und – wenn er will und die Saison noch lang genug ist – nach dem Abernten neue Gemüse und Kräuter säen oder pflanzen. Es gibt Gartenparzellen-Angebote bei denen gemäß ökologischem Landbau nach EU- und Bioland-Richtlinien bewirtschaftet wird (siehe beispielsweise www.bauerngarten.net, www.ackerhelden.de) und solche ohne „Bio-Ansprüche“ (www.meine-ernte.de).

Pachtparzelle in einer Kleingartenanlage

Kleingärten und Schrebergärten gibt es schon lange. Viele sind vor etwa 100 Jahren aus Armut und Not heraus entstanden. Nach wie vor sind auch sie ein wichtiger Bestandteil der Gemüse-, Kräuter- und Obstproduktion. Auch sie tragen zur Begegnung von Menschen bei und helfen mittels Veröffentlichungen (Bücher, Zeitungen etc.), Informationsabenden und Schnittkursen dabei, pflanzenbauliches Wissen zu erlernen und zu erhalten. Auch hier setzt sich seit Jahrzehnten der Anbau nach ökologischen Gesichtspunkten immer mehr durch. Dies sind die wichtigsten Unterschiede zu den neueren Miet-Gartenparzellen sowie den urbanen Gemeinschaftsgärten:

  • Kleingärtner sind in Vereinen organisiert, derzeit etwa 15.200 Vereine mit etwa fünf Millionen Kleingärtnern unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V.
  • Das Pachtverhältnis für einen Kleingarten läuft auf unbefristete Zeit (bei Miternte-Projekten oder Gemeinschaftsgärten mietet man die Fläche nur für eine Anbausaison).
  • Die Wartelisten sind manchmal sehr lang.
  • Die Parzellen sind oft größer.
  • Angebaut wird in gewachsenem Boden.
  • Gestaltung und Bepflanzung nach eigenen Vorstellungen ist von Anfang an (im Rahmen der jeweiligen Pachtbestimmungen und Gartenordnung) möglich.
  • Je nach Größe bietet der Garten genügend Raum für den Selbstversorgeranbau und die Erholung für die ganze Familie

Gartengrundstücke/Datschen

Wer langfristig planen und gestalten und dabei auch unabhängig von einem Kleingartenverein sein möchte, hat als Alternative die Möglichkeit sich ein Gartengrundstück oder eine Datsche (Gartengrundstück mit Wochenendhäuschen meist in Fertig- oder Leichtbauweise) zu kaufen.

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Solidarische Landwirtschaft

Solidarische Landwirtschaft (im Englischen „Community-supported agriculture“, CSA, genannt) ist das Gegenstück zur industriellen Landwirtschaft und zu einer „Geiz-ist-geil-Mentalität“ beim Einkaufen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Produkten aus diesen. Nicht das einzelne Lebensmittel/Produkt wird von den Käufern finanziert, sondern der Gartenbau/die Landwirtschaft sowie Gärtner/Landwirte/Farmer der Wahl. In der Praxis sieht das so aus: Eine Anzahl von Privathaushalten finanziert einen bäuerlich-landwirtschaftlichen Betrieb mit ökologischem Anbau, können auf Wunsch und je nach Projekt auch mitarbeiten und erhalten einen Anteil am Ernteertrag.  

Gärtnern im Farmcontainer

Farmcontainer wie die Leafy Green Machine von Freight Farms sind umgebaute Frachtcontainer. Darin kann völlig unabhängig von der Umgebung angebaut werden – Klimatisierung, Kunstlicht und Hydroponik machen es möglich. Diese Art des Anbaus nach dem Farm-in-a-Box-Konzept ist etwas für technikaffine Gärtner und Selbstversorger mit dem nötigen Kleingeld für die Investition und den Betrieb.

In diesem YouTube-Video wird die Leafy Green Machine bei YouTube vorgestellt.

Flexibel und mobil gärtnern

Gärtnern in Töpfen:*
Balkon und Terrasse mit Pflanzen gestalten*
Eva Schumann
Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 1. Auflage (2019)
Klappenbroschur, 128 Seiten,
86 Farbfotos, 3 Farbzeichungen, 17 Tabellen
ISBN 3-8186-0635-8



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Über Eva Schumann

Garten(bau) und Gärtnern sind meine Therapie und Leidenschaft und sie waren viele Jahre mein Beruf. Zu meinem Gartenbau-Studium kam ich über den zweiten Bildungsweg, denn da lernte ich den Spaß am Lernen und so wurde lebenslanges Lernen zu meinem Lebensmotto. Ich bin Fachfrau auf mehreren Gebieten, denn ich habe mehrere Ausbildungen (Einzelhandelskauffrau Parfümerie, abgeschlossenes Studium Gartenbau, Weiterbildung Netzwerk- und Internetmanagement, Schulungen technische Redaktion, IT, Mobilfunknetze, Programmierung, Datenbanken und mehr) und auch ausgiebig Berufserfahrung gesammelt. Daneben bin ich immer leidenschaftliche Hobbygärtnerin (Garten, Balkon, Terrasse) und Hobbybörsianerin (aus Begeisterung für das Internet) geblieben. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt heute als freie Journalistin, Bloggerin, Texterin, Buchautorin und Technische Redakteurin (mehr siehe www.evaschumann.biz) sowie über meine werbefinanzierten Publikationen im Internet (Portalseite www.tinto.de). Buchen Sie Werbeplatz oder bestellen Sie frische Texte, Bilder oder anderen Content bei tinto@tinto.de oder eschumann@evaschumann.biz
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