Besser Geld anlegen: Börse nach dem Aschenputtelprinzip

Von anderen (Hobby-)BörsianerInnen höre ich manchmal, Kursgewinne mitzunehmen, habe noch niemandem geschadet. Damit ist gemeint, dass man eine Aktie oder ein anderes Werpapier verkauft, sobald die Erwartungen, die man beim Kauf hatte, erfüllt sind. Doch dies ist meiner Meinung nach ein schlechter Börsentipp für mittel- und langfristige Anleger, sondern eher die Praxis beim Daytrading (kurzfristiges „Wetten“ auf eine Entwicklung, bei dem am gleichen Tag, manchmal schon innerhalb von Sekunden, wieder verkauft wird). Besser für ernsthafte Anleger/InvestorInnen (im Gegensatz zu Tradern) ist es meiner Erfahrung nach, nicht nur beim Kauf von Aktien und anderen Wertpapieren wählerisch zu sein, sondern auch später bei der weiteren Pflege des Depots sowie auch bei anderen Kapitalanlagen wie Aschenputtel zu verfahren: die guten im Töpfchen lassen, die schlechten ins Kröpfchen (die Investition beenden). (zuletzt bearbeitet am 18.1.2024)

Der Wert eines Depots steigt, wenn sich die Wertpapiere darin gut entwickeln. Warum werfen dann viele Privatanleger die guten raus?

Der Wert eines Depots steigt, wenn sich die enthaltenen Aktien unter dem Strich gut entwickeln. Warum werfen dann viele Privatanleger die guten Wertpapiere raus?

Im Märchen „Aschenputtel“ der Gebrüder Grimm erklärt Aschenputtel den Tauben, die ihr beim Auslesen von Samen (zuerst Linsen, dann Wicken und schließlich Erbsen) helfen wollen: „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.“ Leider wenden viele Privatanleger das Gegenteil dieses vernünftigen Prinzips auf ihr Depot an: Sie legen zwar Aktien oder andere Wertpapiere ins Depot, an die sie positive Erwartungen haben, aber sie verkaufen die gut laufenden Aktien/Wertpapiere, sobald sie das Ziel erreicht haben, die anderen heben sie auf und hoffen ewig darauf, dass die irgendwann auch noch in die Puschen kommen.

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Ähnlich verhalten sich viele Hobbybörsianer, wenn sie Geld (Liquidität) für Anschaffungen, Urlaub, Notfälle oder anderes benötigen: Sie verkaufen die guten Wertpapiere und halten die schlechten. Sie futtern also die guten Samen auf und lassen die schlechten im Töpfchen. Aber aus schlechten Samen kann nichts Gutes werden – weder gute Pflanzen noch ein gutes Essen und auch kein sich gut weiterentwickelndes Depot.

Zwar veröffentlichen Analysten und auch manche Börsenbriefe Kursziele für Aktien, also einen Preis, den eine Aktie ihrer Meinung nach erreichen kann. Doch sollte man daraus nicht den Schluss ziehen, dass man einfach Aktien mit einem hohen Steigerungspotenzial kaufen und darauf warten kann, bis sie das Kursziel erreichen. Börse ist zwar einfach, aber nur, wenn man vernünftig handelt und außerdem auch das Unvorhersehbare in die Anlagestrategie einbaut.

Abgesehen davon, dass

  • die verschiedenen Analysten so gut wie nie einer Meinung sind,
  • sich andererseits wichtige Einflussfaktoren unvorhersehbar ändern können (Politik, Regulierung, Wirtschaft, Skandale, (disruptive) Innovationen, Kriege, Naturkatastrophen und vieles andere),
  • führt so ein Vorgehen dazu, dass man am Ende lauter schlechte Positionen im Depot hat, nämlich die, die die Erwartungen nicht erfüllt haben. Ich schreibe absichtlich nicht „noch nicht erfüllt“, weil manche es nämlich niemals tun werden.
  • Dazu kommt, dass man das Geld aus den verkauften Aktien wieder anlegen sollte (falls man es nicht braucht und verbraucht).
  • Es macht doch keinen Sinn: Warum sollte man gute Aktien oder andere Wertpapiere verkaufen und andere mit größerer Unsicherheit kaufen?
  • Schließlich kostet ja das Handeln als solches auch Geld.

Meiner persönlichen Erfahrung nach ist es besser, regelmäßig die schlechten Aktien zu verkaufen/zu ersetzen und die guten zu behalten.

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Schwierig zu entscheiden, ist allerdings, wie oft man sein Depot „ausmistet“. Bei meinem kleinen Mischdepot reicht es ein- bis zweimal pro Jahr – oder wenn ich weiß, dass ich zu einem vorhersehbaren Zeitpunkt Geld brauchen werde (Liquiditätsplanung). Ich beobachte meine Aktien und sonstige (Altersvorsorge-)Kapitalanlagen aber regelmäßig und versuche, ein Gespür für sie zu bekommen: Aktien, die bei jeder Marktverstimmung mit nach unten rauschen, aber anschließend nicht mit dem nächsten Aufwärtstrend nach oben, kommen auf meine Abschussliste. Überraschen sie mich nicht doch noch positiv (oder habe ich nicht noch einen anderen Bezug zu dem Unternehmen als den rein materiellen), fliegen sie bald aus dem Depot. Zugegeben: Einzelne Entscheidungen stellen sich gelegentlich als falsch heraus, aber unter dem Strich funktioniert mein Ausleseverfahren sehr gut – und so funktioniert meiner Erfahrung nach Börse: Unterm Strich muss die Depotentwicklung stimmen – weshalb es wichtig ist, ein gestreutes Depot zu haben und nicht alles Geld auf eine Aktie oder eine Branche zu setzen. (Auf die Gesamtheit der Kapitalanlagen bezogen, bedeutet das aber auch, dass man bei großen Vermögen nicht ausschließlich auf Aktien, Wertpapiere und eine Liquiditätsreserve für Notfälle setzt, sondern auch Immobilien, Gold, Staatsanleihen, Kapital-/Rentenversicherungen, Kryptowährungen, Kryptoprojekte und anderes kauft, abhängig von der Größe des Vermögens und der Risikobereitschaft).

Es gibt jedoch eine Ausnahmesituation, in der auch ich empfehlen würde, einige gute Aktien zu verkaufen: Wenn eine Wertpapierposition ein zu großes Gewicht im Depot erreicht hat – und das passiert, wenn man die guten Aktien laufen lässt und die schlechten verkauft, nach einiger Zeit. In diesem Fall würde ich, um der Risikodämmung Willen, eine zu große Position etwas reduzieren und für das Geld etwas anderes zu kaufen, denn Streuung (Diversifikation) ist meiner Meinung nach ebenfalls ein sehr wichtiges Anlageprinzip.

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Wer sich die historischen Kurse oder Charts beispielsweise von Solarworld, Deutsche Telekom oder VW anschaut, weiß warum: Egal, wie aussichtsreich oder zuverlässig ein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt scheint/schien, es muss nicht, aber es kann etwas passieren, das alles ändert.

Apropos: Ich glaube nicht, dass Warren Buffett oder andere erfolgreiche Investoren Verkaufsentscheidungen aufgrund der Kursziele von gestern treffen würden. Man darf wohl annehmen, dass sie den inneren Wert, das Risiko und das Potenzial ihrer Aktien kontinuierlich überprüfen. Wenn man also unbedingt abhängig von Kurszielen handeln will, sollte man wenigstens nicht die Kursziele von gestern, sondern die von heute nehmen. Allerdings finde ich es sehr wichtig, dass man sich auch als Privatanleger selbst eine Meinung zu den eigenen Wertpapieren und den dazugehörenden Unternehmen und Produkten bildet (denn siehe oben: auch Analysten können falsch liegen) und das eigene Depot sowie die gesamte Geldanlage passend zur eigenen Persönlichkeit, Nachhaltigkeitsansprüchen und Situation ausrichtet.

Was halten Sie/haltet ihr vom „Gewinne mitnehmen“ versus „Aschenputtelprinzip“?

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Über Eva Schumann

Garten(bau) und Gärtnern sind meine Therapie und Leidenschaft und sie waren viele Jahre mein Beruf. Zu meinem Gartenbau-Studium kam ich über den zweiten Bildungsweg, denn da lernte ich den Spaß am Lernen und lebenslanges Lernen wurde zu meinem Lebensmotto. Ich wurde Fachfrau auf sehr unterschiedlichen Gebieten - von der Einzelhandelskauffrau Parfümerie, über die Diplom-Ingenieurin Gartenbau (FH) mit Berufserfahrung im biologischen Pflanzenschutz und der Beratung von Hobbygärtnern, zur zertifizierten Netzwerk- und Internetmanagerin, technischen Redakteurin und anderem mehr. Bisher finanzierte ich meine Online-Veröffentlichungen über Werbung, was seit der zunehmenden mobilen Nutzung und den Werbeblockern immer schlechter funktioniert. Deshalb kann man mich jetzt auch per Paypal ("Kaffeekasse") unterstützen: paypalme/eva4tinto. Danke!
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