Der Eichen-Prozessionsspinner ist ein unauffälliger Nachtfalter, doch seine Larven sind gefürchtet – als Pflanzenschädling, aber vor allem als Auslöser einer Raupendermatitis. (Erstveröffentlichung im Gartenratgeber im August 2020**)
Eichen-Prozessionsspinner sind eine Gefahr für die Gesundheit, genauer gesagt, sind es die Brennhaare der Raupen, die ein Nesselgift absondern, weshalb regemäßig vor diesen gewarnt werden muss.
Verbreitung des Eichen-Prozessionsspinners
Der Eichen-Prozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) tritt vom südlichen Schweden bis zur iberischen Halbinsel und im Osten bis in den Süden Russlands und in Vorderasien auf. Er ist in ganz Deutschland verbreitet, am stärksten betroffen sind Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo er Eichen in eichenreichen Wäldern, bevorzugt im trockenen Flachland, besiedelt. Einzelbäume an Straßenrändern, am südlichen Waldrand, in Parks und anderswo im urbanen Bereich sind ihm aber ebenfalls recht. Befallen werden verschiedene Eichenarten wie Stieleiche und Traubeneiche, nur bei Massenauftreten geht er auch an andere Gehölze, beispielsweise an Hainbuchen.
AnzeigeBiologie des Eichen-Prozessionsspinners
Eichen-Prozessions gehören zur Familie der Zahnspinner und der Unterfamilie der Prozessionsspinner. Die Motten fliegen im August. Sie haben eine Flügelspannweite von bis zu 36 mm, wobei die Weibchen die größeren sind. Nach der Paarung legen diese ihre Eier in Eigelegen von ein- bis zweihundert, ein Millimeter großen Eiern an glatte, maximal fingerdicke Zweige im Kronenbereich ab. Ein Weibchen kann insgesamt bis zu 300 Eier produzieren. Nach nur wenigen Tagen Lebenszeit sterben die Falter.
In den Eiern entwickeln sich die Jungraupen, die im Ei überwintern. Sie schlüpfen im Mai des Folgejahres.
Die Larven (Raupen) sind zunächst grau, später haben sie eine dunkle Rückenlinie. Sie durchlaufen fünf bis sechs Larvenstadien und erreichen dabei eine Länge von etwa 5 cm.
Die gefürchteten Brennhaare mit Widerhaken und dem Nesselgift Thaumetopoein haben die Raupen ab dem dritten Larvenstadium (im Mai/Juni) – dies sind nicht die langen, gut sichtbaren Haare, die den Larven ein fluffig freundliches Aussehen geben, sondern winzige „Pfeile“ (0,1 bis 0,2 mm) mit Widerhaken. Diese Pfeile sitzen locker in Porenplatten auf so genannten Spiegeln. Im 3. Larvenstadium gibt es auf dem hintersten Segment ein erstes Spiegelfeld mit Porenplatten und Brennhaaren, im letzten, dem 6. Larvenstadium gibt es dann dicht mit Gifthaaren besetzte Spiegelfelder auf allen 8 Hinterleibssegmenten. Schon bei leichter Berührung fallen die Pfeile aus den Porenplatten und können an Kleidung haften oder vom Wind fortgetragen werden.
Die Raupen des Eichen-Prozessionsspinners lieben die Geselligkeit
Die Raupen des Eichen-Prozessionsspinners leben in Gruppen und gehen (nachts) wie eine Prozession, eine hinter der anderen, teilweise mehrspurig (flächige Raupenprozession), auf Wanderschaft.
Die Raupen ernähren sich von Blättern und lassen von diesen oft nur die Mittelrippen übrig. Trotzdem schadet ihr Fraß den Bäumen nur, wenn diese mehrere Jahre hintereinander stark befallen werden und/oder wenn andere schwächende Faktoren wie Hitze, Wassermangel, Krankheiten oder weiterer Schädlingsbefall dazukommen.
Die älteren Raupen leben tagsüber gesellig in Gespinstnestern, die bis zu einem Meter lang werden können. Diese Nester werden in dichten Gehölzbeständen vor allem im Kronenbereich und in lockeren, lichten Baumbeständen im Stammbereich angelegt. Sie sind voll mit Häutungsresten und den so gut wie unsichtbaren Brennhaaren sowie ihren Ausscheidungen. In diesen Gespinstnestern verpuppen sich die Raupen im Juni/Juli. Aus den Puppen schlüpfen einen Monat später die Falter der nächsten Generation. Sie fliegen Bäume im Umkreis von etwa 300 m an.
Vorsicht des Eichen-Prozessionsspinners: Gefahr für die Gesundheit
Die feinen Brennhaare der Raupen ab dem dritten Stadium enthalten das Eiweißgift Thaumetopoein. Sie lösen sich bei Berührung leicht von den Raupen und können dann auch durch Luftströmungen verteilt werden (bis zu 200 m weit!). Die alten Nester, in denen sich die älteren Raupen gehäutet haben, sind ebenfalls voll davon. Die Brennhaare haften an Kleidern und Schuhen. Sie dringen leicht in die Haut oder Schleimhäute ein und lösen dort eine Raupendermatitis aus: Es bilden sich Quaddeln, Hautentzündungen oder Knötchen ähnlich wie bei Insektenstichen. Das Einatmen der Brennhaare kann Husten, Asthma und Bronchitis auslösen. Manchmal kommen Schwindel, Fieber, Müdigkeit oder eine Bindehautentzündung dazu. Allergische Schockreaktionen sind selten, aber möglich.
AnzeigeWer in Kontakt kam und mit Atemnot und Asthma reagiert, sollte sofort einen Arzt aufsuchen. Wer nur juckende Hauterscheinungen oder Rötungen hat, sollte sichvon einem Hautarzt oder einer Dermatologin helfen lassen. In der Regel verschreibe diese Mittel gegen die Entzündung und das Jucken.Die Brennhaare verlieren erst nach 2-4 Jahren ihre allergene Wirkung, je nach Standort kann es sogar bis zu 10 Jahre dauern.
Fiese Verwandte des des Eichen-Prozessionsspinners
Der Eichen-Prozessionsspinner hat einige Verwandte innerhalb Europas und in den angrenzenden Regionen – sie können einem beispielsweise im Urlaub. Sie alle haben ebenfalls Brennhaare und können Raupendermatitis auslösen. Voneinander abgrenzen lassen sie sich am leichtesten anhand der Wirtspflanzen und des Verbreitungsgebietes:
Der Kiefern-Prozessionsspinner (T. pinivora) ist in Nordeuropa (Schweden, Finnland, Dänemark, Nordosten Deutschlands, Polen, Frankreich und Spanien verbreitet. Er bevorzugt trockene Kiefernwäldern auf sandigem Boden mit Kiefern (Pinus sylvestris, Pinus uncinata) im Alter von 30 bis 50 Jahren. Dort laben sich die nachtaktiven Raupen an den Nadeln. Tagsüber spinnen sie in Gruppen miteinander ihre Gespinste. Zur Verpuppung im Sandboden wandern sie in einreihigen Prozessionen. In Kiefernmonokulturen können sie bei Massenauftreten Schäden anrichten.
AnzeigeDer Pinien-Prozessionsspinner (T. pityocampa) ist im Mittelmeerraum an allen Kiefernarten verbreitet. Man findet ihn auch in der Schweiz, in Niederösterreich, Ungarn und Südtirol. Er mag es warm und trocken, aber mit erhöhter Luftfeuchtigkeit (Meeresküste, Bachtäler etc.). Die Raupenprozessionen sind eher klein.
Der Pistazien-Prozessionsspinner (T. solitaria) kommt vor allem in heißen, trockenen Gebieten wie Anatolien, Zypern, Syrien, Israel und dem Libanon vor. Er ist für die Pistazienanbauer in diesen Regionen wirtschaftlich bedeutend. Weitere Wirtspflanzen für die Larven sind die Mittelmeerzypresse (Cupressus sempervirus) sowie Eschen (Fraxinus).
Die Gegenspieler des des Eichen-Prozessionsspinners
Natürliche Gegenspieler des Eichen-Prozessionsspinners sind Fledermäuse und Vögel, die die Falter fressen. Meisen wurden aber auch schon beim Verspeisen der Jungraupen beobachtet. Manche Vögel wie der Kuckuck vertragen dank ihrer robusten Magenwand auch Raupen mit Brennhaaren. Weitere Gegenspieler sind räuberische Insekten wie Puppenräuber-Käfer und verschiedene Wanzen sowie parasitische/parasitoide Insekten wie Raupenfliege oder Schlupfwespe.
AnzeigeEichen-Prozessionsspinner: Vorsichtsmaßnahmen und Bekämpfung
Ausgewiesene Befallsgebiete in Wäldern, Parks und öffentlichen Anlagen wie Schwimmbädern sollte man meiden. Sieht man Nester oder Raupen des Prozessionsspinners im Wald oder auf öffentlichem Grund ohne Warnschilder oder Absperrungen, so sollte man den Revierförster oder die Stadt- beziehungsweise die Gemeindeverwaltung informieren.
Bei Auftreten von Prozessionsspinnerraupen im eigenen Garten sollte man
- angrenzende Fenster und Türen schließen
- Kinder, Weide- und Haustiere fernhalten
- Absperrbänder und Warnschild, falls Fremde/Gäste Zugang haben
- Ist man mit Brennhaaren in Kontakt gekommen, sollte man sofort die Kleidung ablegen, duschen und Haare waschen und dann die Kleider ebenfalls waschen (60 °C).
Werden Sie nicht selbst gegen die Nester und Raupen tätig, fassen Sie nichts an und wirbeln Sie nichts auf. Fragen Sie beim Ordnungsamt oder Grünflächenamt, ob die etwas unternehmen oder ob Sie selbst einen Spezialisten (beispielsweise Kammerjäger) zur Entfernung der Nester und Raupen beauftragen müssen und wer die Kosten trägt. Je nach Höhe der Bäume und abhängig vom Standort muss zu deren Unterstützung möglicherweise auch die Feuerwehr anrücken.
AnzeigeDie Bekämpfungsprofis haben verschiedene Möglichkeiten, wie sie die Raupen und Nester entfernen, ohne sich und andere zu gefährden oder die Umwelt zu belasten. Beispielsweise können sie die Nester vor dem Absammeln mit Sprühkleber umhüllen, damit sie nicht auseinanderbrechen und ihre Fracht an Brennhaaren freisetzen, oder sie mit einem Heißschaum aus Wasser, Mais- und Kokosstärke mittels eines Spezialgerätes einschäumen, wobei die Raupen sterben und die Brennhaare durch die Hitze ihre Giftigkeit verlieren – die toten Raupen rutschen vom Baum, wo sie als ungiftiges Vogelfutter liegen bleiben oder eingesammelt und auf den Kompost gegeben werden können. Andere Unternehmen setzen auf Spezialsauggeräte, mit denen sie die Raupen vom Boden und den Bäumen absaugen, und fahren die eingesammelte Fracht anschließend zu einer Verbrennungseinrichtung. Aber vor allem haben die Profis die notwendige Ganzkörper-Schutzkleidung und Atemschutzmasken, die sie vor den Brennhaaren schützen.
Damit es nicht so weit kommt, unterstützen Sie die Artenvielfalt im Garten und besonders die natürlichen Feinde der Prozessionsspinner: Hängen Sie für Vögel Nistkästen und für Fledermäuse Unterschlupfkästen auf. Pflanzen Sie auch heimische Gehölze und Stauden im Garten, die einen Wert für viele heimische Insekten (Blüten) und Vögel (Früchte) haben. Schaffen Sie, wenn Sie die Möglichkeit haben, unterschiedliche Lebensbereiche im Garten, beispielsweise ein Feuchtbiotop, aber auch Trockenrasen mit Wildblumen und Trockenmauern. Säubern sie die Staudenbeete nicht bereits im Herbst von jeglichem pflanzlichen Material, sondern warten Sie bis zum Frühjahr, wenn die neue Wachstumszeit beginnt. In und an den abgestorbenen Halmen und Pflanzenresten überwintern nämlich auch beliebte Schmetterlinge und viele natürliche Gegenspieler von Schädlingen.
* Werbelink
** Die Originalversion dieses Beitrages von mir erschien im August 2020 in der Fachzeitschrift Der praktische Gartenratgeber des Obst- und Gartenbauverlages München. Der Obst- und Gartenbauverlag München ist der Verlag des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege e. V. und unterstützt mit fachbezogenen Angeboten die Arbeit der Obst- und Gartenbauvereine.
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